Am Vormittag des 2. September rief Gott, der Herr über Leben und Tod, unsere Mitschwester Maria Silvia Lutter nach schwerer Krankheit in sein himmlisches Reich.

Sr. Silvia wurde am 11. August 1939 in Ehringsfeld (Landkreis Amberg-Sulzbach) in der Oberpfalz geboren und auf den Namen Berta getauft. Sie war die sechste von elf Geschwistern und wuchs in einem landwirtschaftlichen Betrieb auf, von dem die Familie lebte.

Berta besuchte von 1945 bis 1953 die Volksschule in Ursensollen und anschließend bis 1955 die Berufsschule in Amberg. Als 16-jähriges Mädchen kam Berta nach Oberzell und absolvierte als Kandidatin die klostereigene Mittelschule. Nach dem erfolgreichen Abschluss trat Berta im August 1958 zusammen mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Ida in die Ordensgemeinschaft ein. Am 4. Mai 1959 wurden beide ins Noviziat aufgenommen. Mit der Einkleidung erhielt Berta den Ordensnamen Sr. Maria Silvia, ihre Schwester Ida den Ordensnamen Sr. Maria Gregoria. Nach dem zweijährigen Noviziat legte Sr. Silvia am 5. Mai 1961 die zeitliche Profess für drei Jahre und 1964 die Profess auf Lebenszeit ab.

Nach ihrer Erstprofess arbeitete Sr. Silvia vorübergehend im Altenheim St. Anna, bis sie im September 1961 in der klostereigenen Goldschmiede eingesetzt wurde. Hier wurde sie von der Goldschmiedemeisterin, Sr. Astrid Bartholme, in verschiedene Techniken der Goldschmiedekunst und der Emailletechnik eingelernt. Voller Stolz berichtete mir Sr. Silvia von dem Kelch, den sie während dieser Zeit selbst gearbeitet hatte.

Nach drei Jahren, ab September 1964, besuchte sie die Säuglings- und Kinderkrankenpflegeschule am Mönchberg in Würzburg, die sie mit „sehr gut“ im August 1966 abschloss. Anschließend war sie noch ein Jahr zum Praktikum in Bad Brückenau, um in einem weiteren Pflegebereich Erfahrungen zu sammeln. Ab November 1967 war Sr. Silvia dann als Säuglingsschwester tätig. Zunächst für drei Monate im Elisabethenheim in Hof und anschließend für sechs Jahre in München-Thalkirchen.

20 Jahre im Juliusspital in Würzburg

Im Oktober 1974 wurde Sr. Silvia ins Juliusspital nach Würzburg versetzt. Dort war sie bis zu deren Schließung auf der Kinderstation eingesetzt und wechselte anschließend in den Funktionsbereich der Urologie. Nach 20 Jahren wurde sie 1994 aus dem Juliusspital verabschiedet und zog ins Altenheim St. Anna in Würzburg, wo sie fortan sieben Jahre in der Altenpflege tätig war.

Im Januar 2001 zog sie zurück nach Oberzell und übernahm im Franziskushaus Verantwortung in der Sorge für unsere älteren Schwestern. Wichtig war ihr, sich selbst fortzubilden, um mit religiösen Angeboten, Gedächtnistraining usw. den Alltag der älteren Schwestern zu bereichern. Im März 2022, nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges, beschloss unsere Gemeinschaft, Wohnraum für geflüchtete Frauen zur Verfügung zu stellen. Die neun Schwestern, die noch im Franziskushaus lebten, zogen in andere Konvente um, Sr. Silvia ins Antoniushaus. Dort übernahm sie sehr gewissenhaft die Aufgabe als „rüstige“ Schwester alte Mitschwestern bei Artbesuchen u.a. zu begleiten.

Sr. Silvia war eine Liebhaberin des Lebens und hoffte bis zuletzt, dass die Therapie anschlagen würde und sie wieder gesund werden könnte. Sie hatte eine positive Lebenseinstellung, strahlte Frohsinn aus und war grundsätzlich optimistisch. In ihrer aktiven Zeit war sie stets im Eilschritt unterwegs, immer hilfsbereit und tatkräftig. Sie hatte Menschen gegenüber keine Berührungsängste und nahm ohne zu zögern auch wohnungslose Frauen im Franziskushaus auf, wenn diese vor der Tür standen.

Sie kümmerte sich liebevoll um die ihr anvertrauten Kleinkinder, alte Menschen und die Mitschwestern, die auf ihre Unterstützung angewiesen waren. Im Antoniushaus wurde sie eine unverzichtbare Hilfe, da sie jederzeit bereit war, Mitschwestern zu ihren Arztterminen in die niedergelassenen Praxen oder ins Krankenhaus zu begleiten. Als kontaktfreudiger Mensch kam sie schnell mit Menschen ins Gespräch. Mit den Ärzten traute sie sich zu fachsimpeln und manchmal mussten sie sich auch anhören, wie die entsprechende Untersuchung früher ausgesehen habe.

Interesse für das Geschehen in der Welt

Sr. Silvia war eine tiefgläubige Frau und lebte aus ihrem Glauben. Dabei hatte sie in ihrem Glaubensweg durchaus Wandlungen durchlaufen. Sie berichtete mir einmal, dass sie als junge Schwester sehr konzilsbewegt gewesen sei und sich eine durchaus progressivere Kirche gewünscht habe. Von manchen Positionen habe sie sich mit zunehmendem Alter jedoch wieder distanziert. Sie hörte sehr gerne Vorträge im Radio Horeb an, liebte die gemeinsamen Gebets- und Gottesdienstzeiten in der Gemeinschaft und betete sehr gern den Rosenkranz. Sr. Silvia interessierte sich für das Geschehen in Welt, Kirche und in ihrem eigenen Umfeld. Die täglichen Nachrichten und das Lesen des Sonntagsblattes waren ihr eine Selbstverständlichkeit.

Mit ihrer Familie war Sr. Silvia eng verbunden und regelmäßig im Kontakt. Eine große Freude war es ihr, Sr. Gregoria in den USA zu besuchen, wie auch einen Bruder und eine Schwester, die in jungen Jahren nach Kanada ausgewandert waren, einmal besuchen zu können. Auf die Rückkehr von Sr. Gregoria Lutter aus Südafrika, die auch Sr. Silvias leibliche Schwester ist, freute sie sich sehr und bereitete lange vorher liebevoll das Zimmer im Franziskushaus vor. Als es soweit war, zogen jedoch beide ins Antoniushaus.

Am 11. August feierte Sr. Silvia noch ihren 85. Geburtstag im Kreis ihrer Familie und Mitschwestern. Dies war für sie ein großes Geschenk. Im Beisein ihrer Schwester Gregoria verstarb sie am 2. September ruhig und in Frieden. Ich schließe mit dem Firmgebet von Sr. Silvia, das sich in ihrem Nachlass fand:

“Heiliger Geist, ich fleh’ zu dir
sieben Gaben schenke mir.
Deine Weisheit mach mich klug!
Dein Verstand wehr allen Trug!
Deinen Rat lass mich verstehn!
Stärke lehr den Kreuzweg gehen!
Wissenschaft zeig Gottes Macht!
Frömmigkeit das Gute schaff!
Gottesfurcht sei mir das Licht,
dass ich Dich verliere nicht.
Amen.”
Firmgebet von Pfarrer Johannes Stahl

Sr. Rut Gerlach