Der große runde Tisch im Wohnbereich des Konvents Magdala wirkt einladend. Für Sr. Philippa Haase besitzt er sogar Symbolkraft: „An diesen Tisch passen unglaublich viele Menschen und niemand sitzt an der Ecke“, sagt sie. „Hier ist immer Platz. Das ist charakteristisch für dieses Haus.“ Diese Offenheit habe sie selbst erlebt, als sie 2019 noch als Gastschwester nach Oberzell kam.
Der Konvent Magdala ist der sogenannte Formationskonvent der Oberzeller Franziskanerinnen. Wer in die Gemeinschaft eintreten möchte, startet hier. Seit 1996 ist der Konvent im „Schuckshaus“ untergebracht, das eine wechselvolle Geschichte hat. Ursprünglich 1790 unter dem letzten Prämonstratenserabt Christoph Kroh errichtet, diente es als Emeritenhaus (für Geistliche im Ruhestand) und Bäckerei. Nach einer Phase als „Lumpenmühle“ für die Papierherstellung wurde das Gebäude ab 1898 als Beamtenwohnung genutzt. Seinen Namen verdankt es dem Spiritual Johannes Schuck, der hier bis 1950 seinen Lebensabend verbrachte.
Heute leben im „Schuckshaus“ die Schwestern Gerwigis Brosig, Lydia Kern, Beate Krug, Juliana Seelmann sowie Philippa Haase. Sie bilden den Konvent Magdala, zu dem auch Lydia Katzenberger gehört, die im Rahmen des Freiwilligen Ordensjahres bis Herbst im Haus lebte und inzwischen eine Stelle als evangelische Pfarrperson in Nastätten (in der Nähe der Loreley) angetreten hat. Lydia fühlt sich dem Konvent weiterhin sehr nah, weshalb gemeinsam nach einer offiziellen Form der Verbundenheit gesucht wird.
Der Tagesablauf der Schwestern wird durch Gebete und gemeinsame Mahlzeiten strukturiert, wobei genügend Raum für Individualität bleibt. Von Montag bis Freitag starten die Frauen mit Meditation (30 Minuten Stille) und Laudes um 6.45 Uhr gemeinsam in den Tag und frühstücken danach. Anschließend geht jede ihren Weg – Sr. Juliana zum Beispiel als Krankenschwester in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber:innen, Sr. Beate als Nachhaltigkeitsbeauftragte der Kongregation und Sr. Philippa widmet sich ihrer Forschung für die Universität Regensburg.
Wenn der Beruf es zulässt, versammeln sich die Schwestern mittags und abends wieder zum gemeinsamen Gebet und Essen. Abends sitzen die, die noch möchten, oft im Wohnzimmer zusammen zum Handarbeiten, Lesen, Musizieren, Fernsehen oder Spielen. „Hierbei geht es oft recht lustig zu“, erzählt Sr. Beate.
Die Gebetszeiten werden von den Schwestern abwechselnd und individuell gestaltet. Dabei werden traditionelle Gebete mit modernen Formen kombiniert, die Schwestern greifen gern zur Gitarre und es wird viel gesungen. Sonntags und an Festtagen feiern sie den Gottesdienst mit der Klostergemeinschaft in der Kirche. Zusätzlich gibt es zwei Mal im Monat sogenannte Konventsgottesdienste, die meist unter der Woche im hauseigenen Meditationsraum oder – wenn das Wetter es erlaubt – auch im Freien stattfinden. Dazu werden regelmäßig weitere Schwestern oder auch Freund:innen von außerhalb eingeladen.
Die Aufgaben in der Hausgemeinschaft werden aufgeteilt, wie es in einer WG eben üblich ist: Zur Zeit ist Sr. Gerwigis beispielsweise für den Frühstücksservice und den Kaffee zuständig. Gekocht wird abwechselnd, mittags oder abends steht etwas Warmes auf dem Tisch. Oft gibt es vegetarisches Essen – da freuen sich alle über das frische Gemüse aus St. Ludwig. Sonntags geht es gemütlich zu, da wird nach dem Gottesdienst gemeinsam gebruncht.
Alle zwei Wochen treffen sich die Ordensfrauen zu ihrem Konventsabend. Dieser bietet Raum, um Organisatorisches zu besprechen und sich über persönliche Anliegen auszutauschen. Anstehende Termine, Gästeanfragen oder Haushaltsaufgaben stehen auf der Tagesordnung. „Wenn es die Zeit zulässt, sitzen wir danach noch gemütlich zusammen“, erzählt Sr. Gerwigis. „Eigentlich will sie sagen, wir trinken hinterher manchmal noch einen Schnaps zusammen“, verrät Sr. Philippa schmunzelnd. Die ganze Runde lacht, und sie betonen, dass diese Abende immer mit der Komplet enden, dem gemeinsamen Nachtgebet.
Der Konvent Magdala ist auch ein Zuhause für Menschen, die auf der Suche sind, für Gäste und Freund:innen der Gemeinschaft. „Es gibt eigentlich keinen Monat ohne Gäste“, erklärt Sr. Juliana. Die Frauen, die hier zu Besuch sind, kommen aus unterschiedlichen Gründen: Einige nehmen an dem Angebot „90 Stunden Kloster“ teil und wünschen sich Anschluss an den Konvent; andere suchen vor allem Rückzug und innere Ruhe. „Wir sind offen für beides“, betont Sr. Beate. Die Schwestern lassen ihren Gästen Freiheit, selbst zu entscheiden, wie intensiv sie am klösterlichen Alltag teilhaben möchten. Gleichzeitig bleibt die Privatsphäre der Schwestern wichtig: „Nicht jeder Gast wohnt zum Beispiel oben, wo wir unsere Zimmer haben“, erklärt Sr. Philippa. Hier zeigt sich die Balance zwischen Offenheit und Rückzug, die das Leben im Konvent prägt.
Platz ist hier im Haus darüber hinaus auch für geflüchtete Frauen, die in regelmäßigem Kontakt mit den Schwestern stehen. Sr. Lydia und Sr. Gerwigis bieten beispielsweise an, gemeinsam Handarbeiten zu machen oder Deutsch zu üben.
Ob Gäste, Novizinnen oder Geflüchtete: Der Konvent Magdala ist geprägt von Aufbrüchen, aber auch von Abschieden. Für Sr. Juliana bedeutet das Noviziat nicht nur die Aufnahme neuer Mitglieder, sondern auch das Einlassen auf Beziehungen, die nicht immer von Dauer sind. „Wir öffnen Türen und heißen Menschen willkommen – wohl wissend, dass einige Menschen geplant nur einen begrenzten Zeitraum mitleben. Manche entscheiden sich nach einer Zeit des Mitlebens, einen anderen Weg zu gehen. Es gehört dazu, auch Abschiede zu gestalten und diesen Momenten einen guten Rahmen zu geben.“ Die Vielfalt der Lebensgeschichten, die hier zusammenkommen, prägt das Miteinander. Dazu trägt auch der generationenübergreifende Austausch bei. Zwischen der ältesten und der jüngsten Schwester liegen mehr als 50 Jahre, und doch leben alle mit der gleichen Wertschätzung und dem Wissen, dass jede Generation dem Konvent eine besondere Facette hinzufügt. Der große runde Tisch bleibt dabei stets ein Ort der Begegnung, an dem das Leben und die Geschichten der Schwestern und ihrer Gäste zusammenkommen. Hier spiegelt sich das Wesen des Konvents Magdala: ein offenes Haus, das Platz für viele bietet und in dem jede einzelne das Gefühl von Gemeinschaft weiterträgt.
Alltag im Konvent (von rechts) Sr. Lydia Kern, Sr. Gerwigis Brosig, Sr. Juliana Seelmann, Sr. Beate Krug
Kontakt
Oberzeller Franziskanerinnen
Kloster Oberzell
97299 Zell am Main
Telefon 0931/46010
Mail: kloster@oberzell.de
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