Als die ersten Oberzeller Schwestern 1951 mit dem Schiff in Durban anlegten, war die Welt noch eine andere: Konrad Adenauer war deutscher Kanzler, der Koreakrieg dominierte die Schlagzeilen und Papst Pius XII. war das Oberhaupt der katholischen Kirche. Im gleichen Jahr reisten zwei Schwestern auf Bitte des Bischofs im Zululand nach Südafrika, um in Eshowe eine Schule und einen Kindergarten aufzubauen. In den folgenden Jahren machten sich immer wieder junge Schwestern auf den Weg in die Mission – oft mit dem Gedanken, möglicherweise nie wieder in ihre deutsche Heimat zurückzukehren. „Unsere Gedanken eilen voraus und in Gleichem zurück“, schrieb Sr. Elkana Griebel 1961 in ihrem Reisebericht der mehrwöchigen Schifffahrt nach Südafrika. „Einige Male haben wir nun schon afrikanisch geschwitzt. Heute Morgen sind wir in den Hafen von Mombasa, Kenia, eingefahren.“
Man vermag sich kaum vorzustellen, wie groß der Kulturschock für die Schwestern gewesen sein muss, als sie zum ersten Mal ihre neue Heimat auf dem afrikanischen Kontinent betraten. Sie lernten nicht nur das heiße Klima, die fremde Kultur, die Sprache oder das Essen kennen, sondern auch das System der Rassentrennung, die Apartheid. Über ein halbes Jahrhundert hinweg – von 1948 bis 1994 – wurde die schwarze Bevölkerung von einer weißen Minderheit aus Buren und Engländern unterdrückt, aus ihren Heimatgebieten vertrieben und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Inmitten der heutigen Provinz KwaZulu-Natal, in der damals wie heute überwiegend Menschen vom Bantu-Stamm der Zulus leben, begannen die Schwestern, die Region der hl. Clare in Südafrika aufzubauen: Insgesamt vier Konvente an drei verschiedenen Orten, gut 500 Kilometer voneinander entfernt.
In Eshowe entstand ein Konvent in direkter Nachbarschaft zur Kathedrale und zum Bischof. Auf dem gleichen Gelände gründeten die Schwestern 1954 eine Schule und einen Kindergarten, die heute als „Holy Childhood School“ fast 300 Kinder beherbergen. Später kam der Konvent St. Clare hinzu, wo Novizinnen und angehende Schwestern ins Klosterleben eingeführt werden.
1959 übernahmen die „Holy Childhood Sisters“ auch den Konvent in Mbongolwane, eine Missionsstation mitten auf dem afrikanischen Land, etwa 40 Kilometer von Eshowe entfernt. Dort arbeiteten die Schwestern jahrelang im benachbarten Krankenhaus und versorgten die einheimische Bevölkerung medizinisch, etwa auf der Geburtsstation. Später erkannten vier Schwestern den Bedarf für ein Kinderheim, um ausgesetzten und vernachlässigten Kindern ein Zuhause zu schenken. 1988 erhielt das „House of Safety“ die offizielle Genehmigung, die ersten beiden Kinder aus dem Ngwelezane Hospital wurden aufgenommen. Zwei Jahre später kam auch ein Kindergarten hinzu, mitgegründet von der heutigen Regionaloberin Sr. Assumpta Hadebe, einer Schwester aus dem Zululand. Heute sind das St. Joseph Child & Youth Care Centre und die Antonia-Werr-Crèche staatlich anerkannte Projekte, die in der armen und strukturschwachen Gegend rund um Mbongolwane wichtige Arbeit leisten. Aktuell leben 32 Mädchen und Jungen zwischen 0 und 12 Jahren im Kinderheim, den Kindergarten besuchen täglich mehr als 70 Kinder (Stand: 2022).
Der vierte Konvent der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu in Südafrika wurde im Jahr 1994 in der Pfarrei Ntabankulu gegründet, mitten in der Provinz Eastern Cape, rund 500 Kilometer entfernt von Mbongolwane. Dort unterstützten die Schwestern die Arbeit der Diözese Koekstad, leisteten Gemeindearbeit in der Pfarrei und setzten sich für soziale Projekte in der Gegend ein. Sie unterstützten arme Familien mit dem Notwendigsten, halfen bei der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, füllten mit den Menschen vor Ort Formulare und Anträge für Kindergeld oder Rentenanspruch aus, betreuten HIV-Patienten*innen und andere Kranke oder besuchten Gläubige in den Außenstationen – ein Leben ganz im Sinne der franziskanischen Mission, an der Seite der Armen und erfüllt von Spiritualität. Leider fehlte der Kongregation in den vergangenen Jahren auch in Südafrika der Nachwuchs. Mit den Jahren sank die Zahl der Schwestern in allen Konventen, zuletzt lebte nur noch Sr. Clarina dort. Auch deshalb entschied die Regionalleitung 2021 schweren Herzens, den Konvent in Ntabankulu endgültig zu schließen.
Aktuell leben 18 Schwestern in den drei verbliebenen Konventen in Südafrika (Stand: Juni 2022). Drei von ihnen kamen als junge Frauen von Deutschland nach Südafrika und haben den Großteil ihres Lebens hier verbracht. Inzwischen sind alle über 80 Jahre alt, aber immer noch für die Gemeinschaft und ihre Projekte aktiv: Sr. Fidelis Schramm unterrichtet Religion in der Holy Childhood School, Sr. Liboria Ehler kümmert sich um die Finanzen der Kongregation und ihrer Projekte. Sr. Marwiga Schenk unterstützt die Arbeit im Kinderheim Mbongolwane mit Rat und Tat. Die Mehrheit der Schwestern aber stammt inzwischen aus allen Teilen Südafrikas, darunter fünf junge Frauen, die noch am Anfang ihres Klosterlebens stehen. Erst 2021 feierten zwei junge Zulu-Frauen – Sr. Maria Machi und Sr. Faith Myende – ihre Ewige Profess. Sie sind Teil einer Gemeinschaft, die neben großen Vorzeigeprojekten auch weniger bekannte Dienste für die Menschen in ihrem Umfeld leistet: Die wöchentliche Verteilung von Essenspaketen an Bedürftige gehört dazu, aber auch die private Unterstützung der Ausbildung von Kindern aus bedürftigen Familien.
Sr. Teressa Zungu hat im Jahr 2020 ein Projekt ganz im Sinne der Gründerin Antonia Werr gestartet: Einmal die Woche besucht sie weibliche Sträflinge, studiert mit ihnen die Bibel, organisiert Workshops und steht für psychologische Gespräche bereit. Sie ist außerdem Teil eines Community Outreach Projects, das Frauen in ländlichen Regionen zu Näherinnen und Schneiderinnen ausbildet.
„Wir sind stolz und dankbar, als Franziskanerinnen zu leben und an Projekten für die Menschen aus unserer Region zu arbeiten“, sagt Regionaloberin Sr. Assumpta Hadebe. Südafrika ist ein Land mit vielen Problemen: Weitverbreitete Armut, Arbeitslosigkeit und fehlende staatliche Hilfen machen die Arbeit der Schwestern unverzichtbarer und notwendiger denn je – gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, die Südafrika härter als viele andere Länder weltweit getroffen hat. Über alle Projekte hinweg arbeiten unzählige Menschen aus der Region für die Holy Childhood Sisters und sichern so den Lebensunterhalt für ihre Familien. Angesichts der sinkenden Zahl an Schwestern und ihrem fortgeschrittenen Alter wird es zunehmend notwendig, weltliche Botschafter der Lehre von Antonia Werr auszubilden, um die Arbeit in Südafrika am Leben zu halten und fortzusetzen. Hier kommt das Netzwerk der Freunde und Förderer der Oberzeller Schwestern zum Tragen, denn bei der Finanzierung der Bildungsinstitutionen und sozialen Dienste durch die Schwestern ist die Gemeinschaft zu einem großen Teil auf Unterstützung und Spenden aus Deutschland angewiesen.
von Daniel Scharnagl,
der Journalist lebte mit seiner Familie von 2o15 bis 2021 in Mbongolwane
Besuchen Sie die Gemeinschaft und die Schule unter: WWW.HOLYCHILDHOOD.CO.ZA
und das Kinderheim St. Joseph unter: WWW.STJOSEPH-CYCC.DE
Spendenkonto: Kloster Oberzell
IBAN: DE68 7509 0300 0503 0180 08
Liga Bank Würzburg
Stichwort/Verwendungszweck: Kinderheim St. Joseph, Antonia-Werr-Kindergarten, Holy Childhood School
Kontakt
Oberzeller Franziskanerinnen
Kloster Oberzell
97299 Zell am Main
Telefon 0931/46010
Mail: kloster@oberzell.de
Unterstütze unsere Arbeit
Spenden für das Kinderheim in Südafrika oder die Arbeit mit Frauen und Mädchen in Krisensituationen hier
Folge uns auf