Haus Antonia Werr in der Würzburger Huttenstraße nach Generalsanierung wiedereröffnet
Im Haus Antonia Werr in der Würzburger Huttenstraße spielt Mut eine große Rolle – das wurde bei der Wiedereröffnung und Segensfeier am 13. Juli deutlich. Über zwei Jahre dauerte die Generalsanierung des Hauses, nun entsprechen Räume und Ausstattung dem vielfältigen Angebot der Einrichtung, deren Trägerin die Oberzeller Franziskanerinnen sind. Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz, Fachbereichsleiterin Karola Herbert und Ute Berger, Leiterin des Wohnverbundes, schilderten vor rund 50 geladenen Gästen die geschichtlichen Hintergründe sowie die Herausforderungen der Generalsanierung und erzählten von der Arbeit, die hier geleistet wird.
Unter den Gästen war auch Barbara Stamm, Präsidentin des bayerischen Landtags a.D., die sich in ihrer Ansprache auf die Verfassung bezog und die Bedeutung der unantastbaren Würde betonte. Dass die bayerische Landesstiftung, deren Vorsitzende sie ist, das Engagement im Haus Antonia Werr unterstützt, habe ihr tatsächlich Mut gemacht, so Stamm. Denn:
“Was Besseres gibt es nicht als diese individuelle Hilfe, wie sie hier geleistet wird.”
Es gibt Frauen, die in ihrem Leben ins Abseits gedrängt werden. Durch ungerechte Strukturen sind sie gesellschaftlich benachteiligt oder Gewalt und Unterdrückung ausgeliefert. Frauen in schwierigen Lebenssituationen beizustehen, ist zentrale Aufgabe des Fachbereichs Frauen der Oberzeller Franziskanerinnen. Dabei sei der Schritt ins Haus Antonia Werr für die Frauen mitunter ganz schön schwierig, wie Karola Herbert erzählte: „In den vielen Jahren, in denen wir Frauen begleiten, erleben wir, dass viel Mut dazu gehört, Hilfe in Anspruch zu nehmen, sich zu öffnen, über Schwierigkeiten und Probleme zu sprechen.“
Die Wohn- und Begleitangebote sind vielfältig. Es gibt vorübergehendes Wohnen für Frauen in Krisensituationen (ab 21 Jahre), eine Beratungsstelle und Kurzzeitübernachtung für wohnungslose Frauen (ab 18 Jahre), begleitetes Wohnen für Frauen nach der Haft (ab 21 Jahre), Sleep In für Frauen zwischen 17 und 21 Jahren ohne festen Wohnsitz sowie ambulant betreutes Wohnen im Wohnverbund Berscheba für Frauen ab 18 Jahren, die psychisch erkrankt sind. Sozialpädagoginnen begleiten und unterstützen die Frauen, damit diese ihre Situation verändern können. Insgesamt können 36 Frauen aufgenommen werden.
Mut zog sich auch musikalisch als roter Faden durch die Feier. Saxophonist Matthias Köhler spielte zwischen den einzelnen Programmpunkten immer wieder das „Kindermutmachlied“ an – jedes mal in einer anderen Variation. Für die musikalische Begleitung sorgten neben Matthias Köhler auch Irene Dünzinger (Cajon-Trommel) und Ute Berger (Gitarre).
Den Rahmen der Segensfeier nutzten neben Barbara Stamm noch weitere Gäste, um „Mutworte“ zu sprechen. Dr. Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg, dankte den Oberzeller Schwestern und den Mitarbeiter*innen des Fachbereichs für deren Zuversicht und Mut, sich den Frauen zuzuwenden. Die Zusammenarbeit sei geprägt von Vertrauen, Ehrlichkeit und Kreativität und sie sei froh um diese Partnerin der Stadt Würzburg. Michael Lindner-Jung, Leiter der Würzburger Bahnhofsmission, ging auf die lange Partnerschaft ein, die zwischen der Bahnhofsmission und dem Haus Antonia Werr besteht. Er wünsche sich, „dass wir auch nach all den Jahren unser sehendes Herz nicht verlieren“. Elisabeth Kirchner von Wildwasser Würzburg erinnerte an das Leid der Frauen, die im Haus Antonia Werr unterkommen. „Sie haben Gewalt überlebt und trotzdem den Mut, hierher zu kommen und Menschen wieder zu vertrauen.“ Mit bewegter Stimme wandte sie sich an Karola Herbert und Ute Berger:
„Danke für alles, was Ihr den Frauen hier gebt.“
Für Michael Urbas, Bereichsleiter Sozialpsychiatrie beim Bayerischen Roten Kreuz, „geschieht hier Faszinierendes: Sie schaffen es, die Frauen mit ihrem Mut anzustecken und, dass die Menschen wieder an sich glauben.“ Neben den Rednern hatten auch die weiteren Gäste der Feier „Mutworte“ mitgebracht. Auf einer kleinen Stofffahne, die bereits mit der Einladung verschickt worden war, waren die Wünsche verewigt. Mitarbeiterinnen des Fachbereichs fädelten die Fahnen auf eine Schnur und hängten die Kette während der Segensfeier an die Balkone des Hauses. „Die Mutworte werden die Bewohnerinnen und die Mitarbeiterinnen des Hauses beflügeln“, betonte Sr. Katharina.
Das Segensgebet stammte von der verstorbenen Sr. Irmlind Rehberger, vorgelesen von Generalrätin Sr. Beatrix Barth. Sr. Irmlind leitete den Fachbereich Frauen mit dem Haus Antonia Werr und der Wohngemeinschaft Berscheba bis zu ihrem Ruhestand 2008. Sie war eine mutige Frau, die sich schon zu ihrer Zeit für Frauen in Not stark machte und dafür unter anderem sogar das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt. Ihr Gebet für das Haus in der Huttenstraße berührt bis heute.
Nach einer bewegenden Feier hatte Sr. Katharina noch ein Geschenk für den Fachbereich: Im Garten des Hauses gab es eine alte Seidenakazie, die bei den Sanierungsarbeiten leider weichen musste. Doch aus ihrem Holz drechselte der technische Betriebsleiter des Klosters, Udo Hofer, eine Schale. Sie soll an die Wurzeln erinnern, an die „Menschen, die vor uns hier waren und in deren Sinne wir weiter arbeiten“.
Hintergrund: Historischer Rückblick auf das Haus Antonia Werr
Die Einrichtung arbeitet auch heute noch im Sinne der Würzburgerin Antonia Werr, die 1855 die Gemeinschaft der Oberzeller Franziskanerinnen gründete. Sie richtete schon damals ihre ganze Kraft auf das Wohl und die Würde von Frauen in Not. Dass die Ordensschwestern das Gebäude in der Huttenstraße für ihren Auftrag nutzen können, ist der Würzburgerin Anna Rhein zu verdanken. Die pensionierte Lehrerin setzte in ihrem Testament die Kongregation als alleinige Erbin ein. Genutzt wurde das Haus ab 1958 zunächst als Wohnheim für Studentinnen. Weil das Gebäude baulich aber in so einem schlechtem Zustand war, wurde es nach mehreren Beanstandungen Ende Juli 1973 geschlossen und noch im gleichen Jahr abgerissen.
Die Oberzeller Schwestern beschlossen im Zuge der pädagogischen Veränderungen in der Fürsorgeerziehung, ihr Mädchenheim vom Kloster Oberzell zentral in die Stadt zu verlegen und dafür in der Huttenstraße neu zu bauen. Schon kurz nach der Eröffnung stellten sich die ersten Baumängel ein, die ausführenden Firmen konnten wegen Insolvenz nicht mehr haftbar gemacht werden. Von 1975 bis 1989 wurde das Haus Antonia Werr als heilpädagogisches Mädchenwohnheim geführt. Im vierten Stock wohnte ein Schwesternkonvent. Die Ordensfrauen arbeiteten in den Gruppen, leiteten das Heim, kochten und hatten die Wirtschaftsführung. Sie wirkten aber auch in der Pfarrei und pflegten gute Kontakte zu den Nachbarn.
Ab 1989 änderte sich die Konzeption des Hauses. Es wurde zur Kontakt- und Anlaufstelle für Frauen und Mädchen in Notsituationen. Es entstand ein Haus für Frauen in Krisensituationen – mitten in der Stadt. Während sich die Konzeption immer weiterentwickelte und das Spektrum der Hilfeangebote immer größer wurde, blieben die baulichen Probleme die gleichen. Die Leitungsrohrbrüche nahmen zu. Das Haus war baulich endgültig in die Jahre gekommen. Die Kongregation entschied sich für die Generalsanierung und die Bewohnerinnen bezogen im Sommer 2018 ein Übergangsquartier im St. Raphaelsheim am Haugerring. Im Oktober 2019 startete die Sanierung. Die Zimmer wurden größer, ein Aufzug ein- und eine Fluchttreppe angebaut. Das Haus beherbergt jetzt auf insgesamt sieben Stockwerken Zweier- und Dreier-Wohngemeinschaften, Einzelapartments und Einzelzimmer.