Dieses Bild ging durch die Medien: Schwester Dr. Katharina Ganz (48), Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, steht im Audienzsaal des Vatikans und stellt Papst Franziskus spontan eine Frage. In den sozialen Netzwerken sorgte seine Antwort für viele Kommentare. Im Gespräch schildert Schwester Katharina, wie sie es empfand.
Frage: Was war der Anlass für Ihre Papstaudienz?
Sr. Katharina: 850 Generaloberinnen aus aller Welt trafen sich vom 6. bis 10. Mai in Rom zu ihrer Mitgliederversammlung. Dies ist alle drei Jahre der Fall. Zum Abschluss des Treffens gibt es immer eine Audienz beim Papst. Eigentlich wäre ich gar nicht dabeigewesen.
Warum?
Sr. Katharina: Ich musste abreisen. Am Samstag hatten zehn Schwestern von uns ihr Professjubiläum. Aber dann habe ich mich doch entschieden mit zur Audienz zu gehen so lange es mir möglich ist. Ich schätze Papst Franziskus sehr. Und ich war neugierig. Eigentlich müsste der Papst ja ein Befürworter der Aktion ‘Maria 2.0’ sein. Er hat uns Ordensfrauen wiederholt gebeten, uns in den Dienst der Kirche zu stellen – aber uns nicht zu Bediensteten von Priestern und Bischöfen zu degradieren.
Hatten Sie eingeplant, sich zu Wort zu melden?
Sr. Katharina: Das war spontan. Papst Franziskus meinte, er hätte eine Rede vorbereitet, aber er wolle sich viel lieber mit uns unterhalten. Wir könnten ihm Fragen stellen. Da war ich wie elektrisiert und dachte: Jetzt oder nie. Ich war unglaublich aufgeregt und so nervös, dass ich mich nicht einmal mit Namen vorgestellt habe, wie das eigentlich üblich ist.
Welche Frage haben Sie ihm gestellt?
Sr. Katharina: Zuerst habe ich gesagt: ‘Bruder Franziskus, ich bin Franziskanerin wie Sie.’ Der Papst ist Jesuit. Aber ich wollte auf seine Gesinnung anspielen. Er hat den Namen Franziskus gewählt und lebt vor, was zutiefst franziskanisch ist. Das war mein Einstieg, wenn auch sachlich falsch. Anschließend habe ich eine Bitte an ihn gerichtet. Er möge die Kommission, die er im Sommer 2016 berufen hat und die die Frage nach der Weihe von Diakoninnen untersucht, nicht nur historisch und dogmatisch arbeiten lassen. Sie sollte pastoraltheologisch an das Thema herangehen aufgrund der Erfordernisse in der Kirche und Welt des 21. Jahrhunderts. Diese Frage stellte ich ihm, weil der Papst einige Tage zuvor bei der Pressekonferenz sagte, dass sich die Kommission zerstritten habe, ob das Diakoninnenamt in der alten Kirche mit einer sakramentalen Weihe verbunden war – oder mit einer Weihe beziehungsweise Segnung, wie sie der Abtissinnenweihe entspricht. Als wir Ordensfrauen das aus den Medien erfuhren, dachten wir: Mein Gott, darum geht es uns doch gar nicht.
Um was geht es den Ordensfrauen?
Sr. Katharina: Es geht uns Frauen und Ordensfrauen um die Frage, welche Positionen und welche Ämter sie heute in der katholischen Kirche haben könnten oder haben sollten aufgrund der pastoralen Notwendigkeiten in unserer Zeit und Welt. Wir brauchen Frauen und deren Autorität auf allen Ebenen der katholischen Kirche. Wir repräsentieren mindestens die Hälfte der katholischen Gläubigen.
Was hat der Papst geantwortet?
Sr. Katharina: Der Papst sagte, dass er vorangehen möchte und alles in Bewegung sei. Aber man müsse die Offenbarung beachten. Wobei ich meine: Die Offenbarung zeigt sich nicht nur in der Bibel und in der Tradition und Lehre der Kirche, sie zeigt sich auch in der Erfahrung der Gläubigen. Aber ich fand es unbotmäßig, noch einmal nachzuhaken. Dann hat Franziskus noch gesagt, dass man es respektieren müsse, wenn Jesus keine sakramentale Weihe für Frauen gewollte habe. Dazu kann ich nur sagen: Jesus hat überhaupt niemanden geweiht. Jesus hat weder Männer noch Frauen geweiht. Jesus hat die zwölf Apostel und andere Jünger und Jüngerinnen in seine Nachfolge berufen. Heute beruft sich die kirchliche Hierarchie auf diesen männlichen Apostelkreis. Aber man kann die Ordination nicht direkt an Jesus festmachen. Die Sakramentalität der Weiheämter ist etwas historisch Gewachsenes. Ich finde, der Papst hat sich an dieser Stelle unklar ausgedrückt.
Wird der Papst Ihrer Bitte entsprechen?
Sr. Katharina: Das kann ich nicht absehen. Ich glaube, dass enorme Kräfte gegen Papst Franziskus und seine Reformen arbeiten. Und die sind, was die Frauenfrage betrifft, sehr, sehr groß im Vatikan.
Sind Sie also eher enttäuscht?
Sr. Katharina: Enttäuscht bin ich nicht. Geärgert habe ich mich über einen schlechten Witz, den der Papst am Schluss gemacht hat. Er sagte: “Dass die Kirche im Wachsen ist und sich vieles bewegt, das sieht man ja auch an Ihnen, Früher waren Sie alle eingepackt in Ihren Habiten. Heute ist es ein buntes Erscheinungsbild.” Das hat er mit Gesten untermalt. In der Änderung des Outfits zeigt sich also, dass sich was ändern kann. Oft geht es im Umgang mit Frauen um das Äußere. Dann muss man nicht auf Inhalte eingehen. Das empfinde ich als kränkend. Insgesamt habe ich aber einen eher positiven Eindruck mit nach Oberzell genommen – obwohl der Papst noch einen weiteren äußerst unglücklichen und schlechten Witz gemacht hat.
Wohl die Bemerkung, die durch die sozialen Medien ging …
Sr. Katharina: … und dort für Empörung gesorgt hat. Der Papst beendete seine Antwort auf meine Frage sinngemäß mit folgen Worten, und hat dabei gelacht: ‘Sie sind doch katholisch, da müssen wir doch die Offenbarung mitbedenken. Und wem das nicht passt, der kann ja gehen und eine neue Kirche gründen.’ In den Medien hat sich leider alles darauf konzentriert. Dabei hat der Papst auch eine sehr noble Geste gemacht.
Der Papst als Gentleman?
Sr. Katharina: Da muss ich etwas ausholen. Bei unserem letzten Treffen in Rom stand in der Audienzhalle vorne auf dem Podest ein weißer großer Sessel für den Papst, daneben weitere Sessel, auf dem zwei Staatssekretäre Platz nahmen.
Was war heuer anders?
Sr. Katharina: Dieses Mal stand ein Tisch auf der gleichen Ebene, also unten, wo wir Ordensfrauen saßen, dazu ein Stuhl mit niedriger und ein Polstersessel mit hoher Lehne für den Papst. Der Papst ließ seinen Stuhl austauschen. Schwester Carmen Sammut, die Präsidentin der UISG, der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen, und der Papst saßen also auf gleichen Stühlen – sie zur Rechten des heiligen Vaters. Was für ein Bild. Das fand ich eindrucksvoll. Ich habe diese Geste als sehr geschwisterlich und wertschätzend erlebt.
Das Gespräch führte Christine Jeske, Main-Post
Quelle: Main-Post