Sehr geehrte Frau Professorin Marianne Schlosser!
Ihren offenen Brief an Sr. Katharina Ganz in der Tagespost vom 26. September habe ich gelesen und den Inhalt erstaunt zur Kenntnis genommen. Ich bin Mitglied der Gemeinschaft der Oberzeller Franziskanerinnen, deren Generaloberin Sr. Katharina ist.
Von Beruf bin ich Religionslehrerin, habe die Ausbildung zur Exerzitienleiterin und bin auch in der Erwachsenenbildung tätig.
Ihre theologischen Abhandlungen habe ich mit Interesse gelesen. Ein ungutes Gefühl riefen einige Aussagen in dem Abschnitt „Nicht ‚Macht‘, sondern Vollmacht Christi“ in mir hervor. Verwundert war ich über Ihre Erschütterung, die die Frage von Sr. Katharina stellte, ausgelöst hat. Hält ein so erlesenes Gremium mit kompetenten Teilnehmern die Fragen, die neu in den Blick gekommen sind, nicht aus?
Fragen stellen heißt doch noch lange nicht, Entscheidungen zu treffen, auch nicht das Recht auf seiner Seite zu haben. In der gestellten Frage geht es ja nicht nur und nicht zuerst um das Priestertum der Frau. In erster Linie geht es grundsätzlich um die Gleichstellung von Mann und Frau in der Kirche und um den Zugang zu allen Ämtern.
Personen, die berechtigt nach der Macht in der Kirche fragen, müssen nicht unbedingt Menschen sein, die für sich ein Amt anstreben, weil sie es für ihr Image brauchen.
Auch im Orden ist es nicht möglich ein Amt an sich zu reißen. Ein Amt muss einem übertragen werden und bedeutet zu allererst Dienst für die Menschen. Unsere Generaloberin wird von den Schwestern gewählt. Für dieses Amt braucht es einige Voraussetzungen. Sr. Katharina Ganz genießt ein großes Vertrauen in der Gemeinschaft. Sie besitzt Kompetenz und braucht das Amt nicht für ihre eigene Profilierung. In unserem letzten Wahlkapitel 2019 wurde Sr. Katharina ein zweites Mal zur Generaloberin gewählt, weil die Schwestern erfahren haben, dass die Leitung bei ihr in guten Händen liegt.
Was mich in Ihrem Schreiben ärgert ist, der Brief spricht Sr. Katharina offen an. In dem Absatz über Macht und Missbrauch von Ämtern äußern Sie sich zwar anonym, aber unterschwellig kann aus den Zeilen herausgelesen werden, welche Person damit gemeint sein könnte. Fragen von Mitschwestern deuteten den Text ebenso. Hier stellt sich mir die Frage nach der Wahrheit. Dass die Frauenfrage in der Kirche heute neu aufgebrochen ist, darüber sollten wir Frauen uns nur freuen.
In Bezug auf die aktuellen Fragen denke ich an das II. Vatikanum und den Aufbruch in der Kirche. Schade, dass davon 50 Jahre danach nicht mehr viel zu spüren ist.
Ich erinnere mich an den Konziltheologen Karl Rahner, der damals schon geäußert hat, dass es keine dogmatischen Hindernisse gibt, die den Zugang von Frauen zu den Ämtern versperren.
Leider werden heute in der Kirche nicht so viele Theologen vom Format eines Karl Rahners gesichtet.
Wir als Gemeinschaft tragen das Anliegen des Synodalen Prozesses mit. Durch die Berufung von Sr. Katharina in dieses Gremium hat sie die Chance sich vor Ort für eine Verlebendigung der Kirche einzusetzen. Dazu gehört für mich wesentlich die Frauenfrage, als eine weltweite Frage dazu.
Unsere Gründerin Antonia Werr, Würzburg, hat sich schon im 19. Jahrhundert vehement für die Würde und die Rechte der Frauen eingesetzt. Sie war besonders eine Kämpferin für jene Frauen, die oft unverschuldet an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Es ist naheliegend, dass Sr. Katharina als Nachfolgerin im Amt der Gründerin von ihrem Geist beseelt, leidenschaftlich für die Würde und Rechte der Frauen das Wort ergreift.
Erwähnen möchte ich noch, dass mich Ihre Distanzierung vom Synodalen Prozess sehr überrascht hat. Diese Entscheidung bedauere ich sehr. Schade.
Auf dem Prozessweg wünsche ich allen Teilnehmer*innen Mut, der Heilige Geist lenke ihre Gedanken und Worte, damit ein neues Pfingsten kommen kann.
Mit franziskanischem Gruß
Pace e bene
Würzburg, 15. Oktober 2019, am Gedenktag der hl. Teresa von Ávila
Sr. Alexandra Gambietz OSF