Sonne, Wolken und Wind, Flugzeuge und Schiffe – ja, sogar das Industriegebiet auf der anderen Mainseite – waren Teil des kleinen Freiluftgottesdienstes am 20. Juni im Klausurgarten im Kloster Oberzell. So bewusst haben wir die vielen verschiedenen Geräusche wohl auch noch nicht wahrgenommen. Doch wenn die Kameras laufen und das Mikrofon an ist, hört der Techniker jedes Blatt im Wind rascheln. Und das Horn von vorbeifahrenden Schiffen ist sowieso nicht zu überhören. Michael Pfeifer, Referent für liturgische Bildung, und das Filmteam des Bistums Würzburg hatten an diesem Montagvormittag jedenfalls mit einigen “Störgeräuschen” zu tun. Sie zeichneten einen Freiluftgottesdienst auf, der am Sonntag, 26. Juni, ab 10 Uhr auf FrankenPlus ausgestrahlt wird. Ab 11.30 Uhr ist er dann auch auf dem Youtube-Kanal des Bistums zu sehen.
Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz leitete den Freiluft-Gottesdienst. In ihrer Predigt erzählte sie, dass katholisch sein und pilgern oder wallfahren für sie untrennbar zusammen gehören. Prozessionen in der Kindheit, Wanderungen auf den Spuren eines oder einer Heiligen in der Schulzeit und Gespräche mit Mönchen und Religionslehrern halfen ihr, entscheidende Weichen für ihr Leben zu stellen. “Mit der Zeit wurde das Pilgern für mich zu einer Lebenshaltung.” Der Weg und das Pilgern seien ein Sinnbild für das Leben schlechthin. Die Kirche beschreibe sich als pilgerndes Volk Gottes. Dieses Bild hat für Sr. Katharina etwas Dynamisches: “Kirche bewegt sich. Sie steht nicht still.” Vor über zwei Jahren habe sich die katholische Kirche in Deutschland auf den sogenannten Synodalen Weg gemacht. “Eine pilgernde Kirche ist nicht starr in ihren Strukturen, sondern lebendig in ihrer Mission. Sie ist unterwegs, um Gott und seine Spuren auch an den fremden, unerwarteten Orten zu suchen und zu finden.”
Jesus selbst habe unzählige Strecken zu Fuß zurückgelegt. Und er habe die Menschen aufgerufen, ihm zu folgen, sich auf Neues einzulassen. Nicht alle seien fähig gewesen, solche Wagnisse einzugehen. Denn wer unterwegs ist, mache sich verletztlich, sei Wind und Wetter ausgesetzt, müsse jeden Tag nach einer Unterkunft suchen und sich das Lebensnotwendige besorgen oder darum bitten. “Unweigerlich kommen mir aber auch Menschen in den Sinn, die nicht freiwillig ihr Zuhause verlassen haben”, so Sr. Katharina.
Erinnerungen an die eigene Flucht
„Wenn ich die Bilder vom Krieg sehe, denke ich daran, wie wir geflüchtet sind.“ Sr. Katharina hört diesen Satz von immer wieder von älteren Mitschwestern, die am Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat vertrieben wurden. “Der Krieg in der Ukraine berührt uns zur Zeit sehr. Wegen der räumlichen Nähe ist uns das Leid dort näher als die Gewalt in anderen Ländern, in denen zum Teil seit Jahren oder Jahrzehnten Krieg und Terror den Alltag bestimmen”, so die Generaloberin. Die Oberzeller Franziskanerinnen freuen sich über die große Hilfsbereitschaft, die den geflüchteten Menschen aus der Ukraine entgegen gebracht wird. Dass die Grenzen in Europa offen sind für sie, halten sie für richtig und wichtig. Gleichzeitig fragen sie sich, wie es sein kann, dass in ein- und demselben Land Menschen an einer Grenze herzlich willkommen geheißen, während sie an einer anderen Grenze gewaltsam zurückgedrängt, inhaftiert und unmenschlich behandelt werden oder im Meer ertrinken müssen.
Als Krankenschwester in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft hat Schwester Juliana Seelmann keine Antwort mehr, wenn Menschen aus Syrien oder aus Afghanistan fragen: „Warum darf ich keinen Sprachkurs machen oder mir eine Arbeit suchen?“ Ihr bleibt nur das Unverständliche und Ungerechte mit auszuhalten, wie Sr. Katharina in ihrer Predigt betonte. “Als Oberzeller Franziskanerinnen wollen wir allen Menschen offen und wertschätzend begegnen, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Identität oder Hautfarbe. Hat nicht zuletzt Jesus durch sein Leben und Handeln bezeugt, dass alle Menschen Würde und Achtung verdienen? Er richtete Frauen auf, die gedemütigt worden waren, er ließ sich berühren von Menschen, die als unrein galten; im Gespräch mit einer Fremden und Andersgläubigen lernte er seinen eigenen Auftrag besser zu verstehen; Kinder und Entmündigte stellte er in die Mitte; Krankheiten und Aussatz heilte er. Von Menschen, die einen fragwürdigen Ruf hatten, ließ er sich einladen und legte sich zu Tisch. Ich wünsche Ihnen, dass wir mit offenen Sinnen durch die neue Woche gehen. Nehmen wir einmal bewusst wahr, wer uns auf unseren Wegen begegnet und sprechen wir innerlich den Menschen zu: Wer immer Du bist, woher Du kommst und wie Du lebst: Du bist ein geliebtes Kind Gottes.”
Das Evangelium hatte Sr. Rut Gerlach verlesen, die Fürbitten übernahmen Sr. Damaris Englert und Sr. Norbertine Rüth. Eine Besonderheit dieses Freiluft-Gottesdienstes war sicher auch die musikalische Begleitung: Begleitet von Gregor Frede, Diözesanmusikdirektor im Bistum Würzburg, sangen Sr. Katharina, Sr. Rut, Sr. Beate, Sr. Damaris und Sr. Norbertine im mehrstimmigen Chor.
Auf dem YOUTUBE-KANAL DES BISTUMS WÜRZBURG ist der Freiluft-Gottesdienst ab Sonntag, 26. Juni, 11.30 Uhr abrufbar.
Hinter den Kulissen bei der Aufzeichnung des Freiluft-Gottesdienstes:
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