Im Gottesdienst am 5. Januar 2025 hielt Generaloberin Sr. Katharina Ganz in unserer Klosterkirche die Predigt und bezog sich dabei auf das Johannesevangelium. Mit ihrem humorvollen und tiefgründigen Zugang spannte sie den Bogen von den grundlegenden Menschheitsfragen bis hin zur fränkischen Übersetzung des Neuen Testaments.
Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes neues Jahr 2025 und laden Sie ein, die Predigt im Wortlaut hier nachzulesen.
„Wer’s glaubt, wird selig!“
Evangelium: Joh 1, 1-18
Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer bin ich? Was ist der Sinn des Lebens? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Philosophie genauso wie die Theologie.
Die Philosophie – wörtlich übersetzt heißt sie: „Liebe zur Weisheit“ – ergründet und deutet die Welt und versucht die menschliche Existenz zu verstehen. Die Theologie ist die Lehre von Gott. Das Johannesevangelium, von dem wir gerade den Anfang gehört haben, bringt beides zusammen: Das Denken, das sich in der Antike in Griechenland herausgebildet hat und das Zeugnis über Jesus Christus in der Tradition der Weisheitslehre des Judentums.
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“
Die Menschen der johanneischen Gemeinde, an die sich diese Worte richten, erkannten sofort, dass hier das Buch Genesis aufgegriffen wird. Denn auch im ersten Buch der Bibel heißt es: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und jetzt – so ist die Absicht des Johannes – setzt Gott mit Jesus wieder einen neuen Anfang. Im Unterschied zu den Kindheitsgeschichten, die die Evangelisten Matthäus und Lukas überliefern – fängt im vierten Evangelium das Leben Jesu nicht mit dem Kind in der Krippe an.
Sondern der Evangelist sagt: Das Wort war bei Gott. Wie die Weisheit, die am Anfang der Schöpfung bei Gott wohnte und vor ihm spielte, lebt Jesus vor aller Zeit in der Ewigkeit. Aus dieser Ewigkeit kam er in die Welt und wurde Mensch.
In der Philosophie heißen die Begriffe für das Diesseits und Jenseits Immanenz und Transzendenz. Die Immanenz umfasst das, was in der Welt bzw. in uns Menschen wohnt. Die Transzendenz fragt danach, was unser Leben und unseren Horizont übersteigt, was größer ist als unser Verstand.
Das Denken der Antike und damit auch des Umfelds, in dem die johanneischen Gemeinden lebten, ist von diesem Dualismus geprägt, also von starken Gegensätzen: Überzeitliches und Endliches, Geist und Materie, Licht und Finsternis, Glaube und Unglaube, Gesetz und Gnade stehen sich gegenüber. Als gut, wahr und schön galt es, sich der geistigen Welt zuzuwenden, nach Erleuchtung zu streben, nach den sogenannten höheren Gütern.
Freilich hat dieses Denken auch eine Schattenseite: Alles, was als innerweltlich, materiell, irdisch oder fleischlich angesehen wurde, galt als minderwertig und wurde abgewertet. Darunter leidet das Christentum bis heute: Denn aufgrund des Patriarchats, also der Vorherrschaft des Mannes, wurde der Geist mit dem Männlichen verbunden und nahezu vergöttlicht. Körper, Sexualität, Lust und Leidenschaft wurden als weiblich gekennzeichnet und als sündhaft gebrandmarkt.
Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer bin ich? Was ist der Sinn des Lebens? Diese Fragen sind heute immer noch aktuell. Andere Zugänge als über das philosophische Nachdenken oder Aussagen über den Glauben finden sich in der Kunst.
In der Kunsthalle in Schweinfurt werden noch bis Ende Januar Skulpturen und Zeichnungen von Thomas Hildenbrand gezeigt. „Grenzüberschreitungen“ heißt der Titel der Ausstellung. So positioniert der Bildhauer seine Figuren bisweilen in einem rechteckigen Kasten. Das Rechteck steht in der Kunstgeschichte oft für die Endlichkeit, die Welt. Dahinter ist eine mit Gold überzogene runde Scheibe angebracht. Die runde Form gilt als Vollendung. Sie symbolisiert die Ewigkeit, das Überzeitliche. Auch das Gold bringt dies zum Ausdruck.
Manche der meist männlichen Skulpturen laufen aus dem Bild heraus wie etwa im Kunstwerk „Der Passant“. So erweckt es den Eindruck, dass der Mensch die engen Grenzen seines Daseins sprengen will. Das Leben lässt sich nicht auf Zeit und Raum einengen. Bei anderen Plastiken stürzen die Figuren ab oder sie wollen wie aus einem Kokon ausbrechen. Manche haben Flügel wie Engel, die als Botschafter einer unsichtbaren Welt auftreten. Die Engelsflügel verweisen auch auf die Freiheit und Fähigkeit der Menschen, aus der Enge auszusteigen und Einschnürendes zu überwinden. Mit seiner Kunst macht Thomas Hildenbrand sichtbar: Menschenwürde und Menschwerdung sind keine Utopien, sondern reale Möglichkeiten.
Aber die Kunstwerke zeigen eben auch, dass das menschliche Leben doppeldeutig und zwiespältig ist. Zum Guten genauso fähig wie zum Bösen. Wir können uns auf das Innerweltliche beschränken oder uns für eine andere Dimension öffnen. Alles ist möglich. Es hängt von uns ab, wie wir uns entscheiden.
Woher kommen wir? Wer bin ich? Was ist der Sinn des Lebens? Wohin gehen wir?
Und noch einen dritten Zugang zum Johannesprolog mag ich anbieten. An Weihnachten habe ich „Des Neue Tesdamend“ auf Fränggisch geschenkt bekommen. Es schafft etwas, was bei mir bisher noch kein Prediger oder Bibelwissenschaftlerin fertiggebracht hat. Es erklärt nämlich einen komplizierten Sachverhalt ganz einfach. So, dass ich’s sofort versteh und dass die einfachen Leut, also die meistn von uns, a was damit anfangen könna.
Es heißt da nämlich im erschtn Kabitel vom Johannes: „Bevor irgendwos gwesn is, is des Word scho gwesn. Des Word is bei Godd gwesn, und Godd woar des Word. Des Word und Godd sin vo Onfang oo Aans gwesn. Alles wos es gibd, is durch des Word gemachd, und nix wos gmachd worn is, is ohne des Word entstandn. Im Word is des Lebm, des Lebm, des wo die Menschn genau so braung wie is Lichd. Des Lichd scheind in unser Dunkelheid nei, und die Bosheid vo der Weld konn des Lichd net auslöschn.
Es had amol an gebm, den had Godd gschiggd, in Johannes. Der Johannes hat die Leud auf des Lichtd vorbereidn solln, damid die Leud a werglich glaam, dass des Lichd edz do is. Der Johannes wor selber ned des Lichd, obber er had die Leud vom Lichd derzähld. Der wo des Word vo Onfang on gwesn is, der is des richdiche, echde Lichd, und durch des kann in an Jeden auf der ganzn Weld aa a Lichd aufgeh.
Des Lichd is scho immer in der Weld gwesn. Durch ihn, des Lichd, is ja alles entstandn. Obber des had die Weld ned gschnalld. Er is in sei Schöbfung kumma, obber seine Leid ham nen direkt wieder los habm wolln. Obber die, wo sich gfreid ham, dasser kumma is, die hom Kinder vom Herrgodd wern derfn. Des sin nämlich die, die wo an sein Noma glam, net weils ärchädwo nei geborn worn sin, oder weils besonders fleißich gwesn wärn, oder weils hald grod vorne dran gschdandn wärn. Naa, sondern allans, weil Godd ihna des neuem Lebm gschenggd had.
Des Word is a richtdicher Mensch gwordn und had mid uns glebd. Und mir ham gsehng, wie herrlich des Word is, so unglaublich schee, des konn bloß Godd seim Sohn gebm. Mir ham göddliche Gnade und Wahrheit in sehng könna.
Der Johannes hads ganz gsachd: „Der do is des, vo dem wo ich gsachd hab: ‚Nach mir kummd anner, der wo vor mir scho gwesn is, anner, der scho ewich dogwesn is.‘“ Und mir könna uns go net so viel Gnade und Liebe vorstelln, wie mir vo ihn aus seinm großn Schatz krieng. Des Gsetz, die Vorschriftn und Regln, an die mir uns haldn missn, had uns der Moses gebm, die Barmherzichkeid und die Woahrheid had uns der Jesus Chrisdus gschenkd. Ka Mensch had Goddd scho mol gseng, obber sei Sohn, der wo ja a Godd is, und mid Godd wie a Aanzicher is, der had nen uns zeichd.“
Wir Franken und Fränkinnen sind dafür bekannt, dass wir uns kurzfassen. Die großen Menschheitsfragen beantworten wir sehr prägnant:
Woher kommen wir? Wohin gehen wir? – Du kommst von Gott und gehst zu Gott zurück.
Wer bin ich? – Du bist von Gott geschaffen, gewollt und geliebt. Du bist ein Kind Gottes.
Was ist Sinn des Lebens? – Dass Du lebst, was Du von Gott, vom Wort, vom Licht und Leben verstanden hast. Dass Du dem Licht traust, immer neu anfängst und trotz aller Finsternis, allem Bösen und Unfrieden in der Welt nicht aufgibst an das Gute und an Gott zu glauben. Zum Glauben zwingen kann Dich freilich niemand.
Aber wer des glaubt, wird selig.
Ich wünsche Ihnen und Euch allen jedenfalls – wie man so schön in Franken sagt: „Ein glückseliges Neues Jahr!“
Sr. Katharina Ganz
(Literaturhinweis: Die Fränggische Bibl. Das Neue Tesdamend. Mid Bilder aus Franggn. Friedrich-Pustet-Verlag, Regensburg 2024.)