Podiumsdiskussion: Sr. Dr. Katharina Ganz, Bischof Peter Kohlgraf und Theologie-Professor Martin Ebner über priesterliche Existenz heute
Veränderungen in der katholischen Kirche in Deutschland sind nicht mehr aufzuhalten. Davon ist Schwester Dr. Katharina Ganz überzeugt. Ob die Beschlüsse des synodalen Weges diese Veränderungen herbeiführen oder ob wenig Veränderungen letztlich pastoralen Ungehorsam bewirken, sei noch offen. Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen ist Beraterin beim synodalen Weg, den die Bischofskonferenz zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 2019 ins Leben gerufen hat, um die katholische Kirche in Deutschland zu erneuern. Sr. Katharina stand am Dienstagabend zusammen mit Bischof Dr. Peter Kohlgraf (Mainz) und Dr. Martin Ebner, emeritierter Professor für das Neue Testament, auf dem Podium im Aschaffenburger Martinushaus. Unter dem Titel „Priesterliche Existenz heute“ schilderten die Ordensfrau und der Bischof ihre Eindrücke von der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt und diskutierten mit dem Bibelfachmann über grundlegende Fragen der katholischen Kirche. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Martin Schwarzkopf, Chefredakteur des Main-Echo Aschaffenburg.
Dass die Diskussionen und Fragestellungen des synodalen Weges viele Menschen betrifft, zeigte auch der – unter Coronabedingungen – voll besetzte Saal im Martinushaus. Ebner betonte gleich zu Beginn, dass eigentlich schon das Neue Testament eine Art „Update“ für die katholische Kirche sei. Es schreibe nämlich allen Glaubenden priesterliche Würde zu. „Es gibt demokratische Vorgänge samt Rechenschaftspflicht, Instanzen der Machtkontrolle, Gleichstellung von Mann und Frau.“ Was die katholische Kirche aber stattdessen ihren Gläubigen zumute, sei „ein Leben in Parallelwelten mit Demokratie-Simulation.“ Menschen, die offene Debatten gewohnt seien, die sich für alle Ämter bewerben und als Frau wie Mann Leitungspositionen begleiten könnten, seien in der katholischen Kirche die Schafe eines Hirten. „Sie dürfen allenfalls beraten, aber nicht mitentscheiden.“
Einsatz nach Kompetenzen und Berufungen
Von ihrem ganz persönlichen, schmerzhaften Einschnitt in der Beziehung zur katholischen Kirche erzählte Sr. Katharina. Sie sei mit der Kirche groß geworden, ihre Familie hat seit 100 Jahren den Messnerdienst im Heimatdorf inne. Von allen Priestern im Ort sei sie gefördert worden, war erste Ministrantin und erste Lektorin gewesen und habe eine Jugendgruppe gegründet. Als nach ihrem Theologie-Studium schließlich ihre männlichen Kollegen geweiht wurden und sie selbst trotz gleicher Prüfungen allenfalls die Fürbitten vortragen durfte, habe sie die Geschlechterdiskriminierung in der Kirche erstmals schmerzhaft gespürt. Sie wünsche sich eine Kirche, in der Frauen und Männer nach ihren Kompetenzen und Berufungen, nach ihren von Gott geschenkten Charismen in für sie geeigneten Ämtern eingesetzt werden. Angesichts der Taufe und des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen müsse auch das Weiheamt vor allem in seiner sakralen Überhöhung überdacht werden.
Bischof Kohlgraf widersprach den Forderungen zwar nicht, versuchte aber dennoch, das Amt zu verteidigen. Ein Weiheamt – ganz gleich ob von Frau oder Mann besetzt – sei grundsätzlich wichtig, um Sakramente spenden zu können. Das Amt nehme den Priester als Person zurück und mache deutlich, dass Christus handelt. „Es ist eigentlich keine Veränderung, sondern ein Freilegen des eigentlichen Kerns, dass Fragen der Leitung nicht mit dem sakramentalen Dienst zusammenhängen. Da sind wir auf einem guten Weg, wenn wir Differenzierung rein bringen.“ Gleichzeitig brauche es jemanden, der die Verantwortung inne hat. Kohlgraf betonte auch, dass der Missbrauchsskandal das priesterliche Selbstverständnis erheblich anzweifle. Laut MHG-Studie wurden fünf Prozent der Priester beschuldigt. „Das ist wirklich viel“, so der Bischof, „aber 95 Prozent waren es eben nicht.“ Und diese 95 Prozent würden sich nun in einem Generalverdacht sehen. „Das kratzt an der priesterlichen Rolle, das kratzt an der Identität, das kratzt auch an der Freude, Priester zu sein.“ Die ganze Lebensform – auch seine eigene – sei gravierend in Frage gestellt. Das Selbstverständnis priesterlicher Existenz sei auch im Synodalforum heiß diskutiert worden. Traditionelle Begründungen würden zwar nicht mehr unbedingt überzeugen, doch vom Tisch wischen könne man eine jahrhundertelange Tradition auch nicht so einfach.
Die eigenen Tradition kritisch betrachten
Ein Argument werde nicht besser, wenn man es noch 50 mal wiederholt, entgegnete dem die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen. Auch in Rom sollte endlich ankommen, dass man die eigene Tradition kritisch und reflektiert betrachten muss. Die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte würden in Rom nicht rezipiert. „Nicht mehr die Zulassung von Frauen zum Weiheamt ist begründungspflichtig, sondern der Ausschluss lässt sich nicht mehr begründen.“ Außerdem ergänzte sie, dass beispielsweise ihre eigene Ordensgemeinschaft eine jahrhundertelange Tradition habe, Beschlüsse gemeinsam zu treffen oder auch Wahlen demokratisch durchzuführen und Ämter auf Zeit zu vergeben. „Das ist nicht weniger geistlich.“
Braucht es noch Priester? Werden Frauen künftig für Weiheämter zugelassen? Wie kann sich die katholische Kirche modernisieren? In der anderthalbstündigen Podiumsdiskussion im Aschaffenburger Martinushaus konnten diese tiefgreifenden Fragen lediglich angeschnitten werden. So unterschiedlich die einzelnen Ansätze auch waren, so einheitlich war doch die Hoffnung, die Sr. Katharina Ganz, Bischof Peter Kohlgraf und Professor Martin Ebner in den synodalen Weg setzen. Er habe einen Paradigmenwechsel erlebt, beschrieb beispielsweise Ebner seine Eindrücke von der Liveübertragung. Erstmals könnten nämlich Laien nicht nur mitdiskutieren, sondern auch mit entscheiden. „Es kann endlich laut gesagt werden, was viele denken.“ Es komme Lebenserfahrung in die Debatten, Ehrlichkeit und wissenschaftliche Erkenntnisse würden ernst genommen. Wenn die Entscheidungen am Ende allerdings im Papierkorb landen, werde es eine große Austrittswelle geben. „Ich befürchte, dass es dann eine kleine Gruppe romtreuer Christen gibt, die mit ihrem geweihten Priester eine Messe zelebrieren. Und, dass viele andere, denen das Christentum etwas wert ist, zuhause in kleinen Gruppen feiern, taufen und Brot brechen – das wäre vielleicht auch nicht das Schlechteste.“ Für Bischof Kohlgraf ist wichtig, dass die großen Fragen auch in die Weltkirche gespielt werden. „Die Themen sind auf dem Tisch. Ich habe große Hoffnung, dass wir einen neuen Stil des Miteinanders entwickeln.“
Man müsse wegkommen von einer klerikalen und patriarchalen Kirche, betonte Sr. Katharina. Wenn das nicht weltkirchlich möglich sei, müsste zumindest das Weiheamt von der Leitungsverantwortung getrennt werden. „Warten wir darauf, dass von der Weltkirche ein Impuls kommt, der dann für alle gilt? Oder könnte nicht der synodale Weg in Deutschland ein Vorbild für die Weltkirche sein?“ Sie sei mit Skepsis nach Frankfurt gefahren und begeistert zurück gekommen, so die Ordensfrau. Die Debattenkultur, die konstruktiven Auseinandersetzungen und das wertschätzende Miteinander hätten ihr viel Mut gemacht. „Ich glaube, dass der synodale Weg in unserer Kirche etwas verändern wird. Und dieser Weg ist nicht mehr aufzuhalten.“
Hintergrund: Synodaler Weg
Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ und den damit verbundenen Erschütterungen haben die deutschen Bischöfe im März 2019 einen Synodalen Weg ins Leben gerufen. Er wird von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragen und soll eine Erneuerung der Kirche anstoßen.
In vier Synodalforen diskutieren und beschließen Bischöfe, Priester und Laien, Frauen und Männer gleichermaßen, zukunftsweisende Entscheidungen. Die vier Foren befassen sich mit den Themen „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, „Priesterliche Existenz heute“ sowie „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“.
Infos im Internet unter www.synodalerweg.de