Barrierefreiheit und Klimawandel: Heilkräutergarten passt sich an

Gesine Schultz und Katharina Mantel hieven schwere Beeteinfassungssteine zur Seite und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Neben ihnen sticht Sr. Reingard Memmel vorsichtig Zitronenmelisse und Lavendel aus der trockenen Erde aus. Die Stauden müssen umgepflanzt werden, um für einen breiteren Weg Platz zu machen. Weiter hinten prüft Melanie van Baal mit einem Meterstock die Breite des neuen Weges. Jede der Frauen im Heilkräutergarten im Kloster Oberzell arbeitet hochkonzentriert. Zwischendurch wird immer wieder besprochen, wie die Wege harmonisch verlaufen und wo die Kräuter ihren neuen Platz finden. Heribert Bauer bugsiert derweil frisches Substrat im Schubkarren zu den neu geformten Beeten. Viele Stunden Arbeit werden in den Umbau des Heilkräutergartens investiert, fast alle ehrenamtlich.

Der Kräutergarten, der in den 1990er Jahren von Sr. Leandra Ulsamer angelegt wurde, soll barrierefrei werden. Damals hatte Sr. Leandra kleine geschwungene Pfade angelegt und mit Schiefertafeln beschriftet. So erhielt der Kräutergarten seinen ganz eigenen Charakter. Vieles hat sich seitdem verändert. Sr. Leandra gab die Verantwortung aus Altersgründen vor zehn Jahren an die Apothekerin Katharina Mantel ab. Diese entwickelte den ökologisch geführten, auf Gemeinschaft basierenden Meditations-, Heil-, Nutz- und Lehrgarten weiter. Es gibt immer mehr ältere Menschen, darunter viele Schwestern, die nicht mehr so mobil sind und auf Gehhilfen angewiesen sind.

Es wird zunehmend trockener und heißer

Gleichzeitig wird es insbesondere im Würzburger Raum zunehmend trockener und heißer. Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch im Heilkräutergarten immer deutlicher. So ist zum Beispiel die Aussaat einjähriger Kulturen wie Koriander, Kamille oder Kümmel aufgrund der Hitzewellen und Trockenheit ohne zusätzliche Maßnahmen nicht mehr möglich. Immer mehr Pflanzen weisen Trockenschäden auf, die Ernte fällt kleiner (zum Beispiel bei Frauenmantelkraut oder Salbeiblüten) aus. Für das Team ist seit einiger Zeit klar, dass der Kräutergarten den Herausforderungen der Zeit angepasst werden muss.

Tröpfchenbewässerung und Beschattung sollen künftig helfen. Die Bewässerung über Schläuche bedeutet, dass Zuleitungen gelegt und hierfür der Boden aufgefräst werden musste. Diese baulichen Arbeiten konnten die Ehrenamtlichen nicht selbst leisten. Um die Kosten für eine darauf spezialisierte Firma zu decken, bewarb sich das Kloster Anfang des Jahres bei der Kommunalen Allianz Main-Wein Garten e.V. um eine Förderung. „Als die Zusage kam, dass 80 Prozent der Kosten gefördert werden, waren wir sehr dankbar“, erzählt Katharina Mantel. „Gleichzeitig bedeutete das für uns, in kurzer Zeit viel ehrenamtliche ‚Women- und Menpower‘ zu mobilisieren, denn die Neuplanung der Wege musste parallel laufen.“ Viele der Ehrenamtlichen sind berufstätig, studieren oder haben auch im Ruhestand viele Verpflichtungen, wie sich um Angehörige zu kümmern. Dennoch haben sie seither unzählige Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet.

„Wir haben zwei breite Hauptachsen und einen Stichweg angelegt, so dass auch Menschen mit Rollator den Garten von allen Seiten betrachten können“, erklärt Gesine Schultz, die sich seit drei Jahren ehrenamtlich im Kloster engagiert. Unter einem der neuen, breiten Wege finden sich jetzt die Hauptleitungen der Bewässerung. Insgesamt wurden 90 Meter Rohre verlegt, dazu kamen Tropfrohre mit einer Gesamtlänge von 700 Metern. Die Tröpfchenbewässerung über druckkompensierte Membran-Tropfschläuche garantiert jetzt, dass die Pflanzen entsprechend ihrer Bedürfnisse gleichmäßig feucht gehalten werden. Gleichzeitig werden künftig Wasser und Arbeitszeit eingespart.

Verschiedene Bewässerungszonen

Katharina Mantel teilte den Heilkräutergarten in Zonen, damit unterschiedlich bewässert werden kann. In unmittelbarer Nähe gibt es noch weitere Anbauflächen. Sie werden für Sonderkulturen genutzt, für die im Kräutergarten kein ausreichender Platz vorhanden ist wie Spanischer Thymian, Arzneifrauenmantel oder Sideritits oder die sich zu stark ausbreiten wie Minzen. Diese Beete sind in die Tröpfchenbewässerung integriert und benötigen zum Vorziehen von Pflanzen mehr Wasser als der Kräutergarten. Auch ganz neue Bereiche sind hinzugekommen, wie ein Wald- und Präriebeet, das weniger Wasser braucht als der Rest. Im „alpinen Bereich“ sollen in Zukunft Griechischer Bergtee, Safran oder Stängel-Silberdistel wachsen.

In den kalten Herbst- und Wintermonaten werden die letzten Arbeiten vollendet. Die neuen Wege brauchen noch einen Wegebelag. „Wir haben uns einige Materialien angeschaut und uns für den Mainkies entscheiden, den es hier um die Ecke am Neuen Hafen gibt“, erklärt Katharina Mantel. Auch die Schieferbruchstücke auf den Pfaden werden tiefer eingelegt – alles in Handarbeit. „Es war ein sehr arbeitsreiches Gartenjahr, aber ich freue mich schon, wenn wir im neuen Jahr die Früchte dieser Arbeit sehen und spüren werden.“

Ein herzliches Dankeschön an Adelgunde, Brigitte, Christa, Diana, Dietlinde, Doris, Elisabeth, Funny, Gesine, Heribert, Hiltrud, Katharina, Melanie, Motoko, Sr. Reingard, Ronja, Sandra, Ursula, Wolfgang und all die anderen, die so tatkräftig mit angepackt haben sowie an die Kommunale Allianz Main-Wein-Garten e.V., die die Tröpfchenbewässerung mitfinanziert hat!

 

Hintergrund: Der Heilkräutergarten und die Tröpfchenbewässerung
Der Kräutergarten Kloster Oberzell ist ein ökologisch geführter, auf Gemeinschaft basierender Meditations-, Heil-, Nutz- und Lehrgarten. Er ist ein mehrgenerationengeführtes Projekt, in dem Schwestern, Ehrenamtliche und Schulen mitwirken. Der Kräutergarten Kloster Oberzell mit seinen mehr als 70 Heilpflanzen ist überregional bekannt. Auch im Rahmen des “Tages der offenen Gartentür” kommen zahlreiche Besucher. Die Apothekerin Katharina Mantel bietet regelmäßig Führungen oder Workshops zum Anbau und zur sachgerechten Anwendung bedeutsamer Heilpflanzen an und vernetzt sich mit Gleichgesinnten, unter anderem im Ökohaus, in der Forschergruppe Klostermedizin oder im Heilpraktikerverband.

Die Tröpfchenbewässerung ist eine Bewässerungstechnik, bei der an Schläuchen in regelmäßigen Abständen Auslässe angebracht sind, über die nur geringe, exakte Wassermengen weitgehend unabhängig vom Druck in der Rohrleitung abgegeben werden. Die Schläuche im Oberzeller Kräutergarten verlaufen oberirdisch. Durch den Druck des Wassers öffnet sich die Membran im Schlauch und so können 3,3 Liter Wasser pro Stunde in den Boden tropfen und die Pflanzen auf effiziente Weise versorgen. Künftig muss der Kräutergarten auf diese Weise nur noch drei bis vier Mal pro Woche für jeweils 45-60 Minuten bewässert werden.