Heute werden wir die Stelle aus dem Matthäusevangelium (Mt 2,13-18) hören, in der es heißt: „Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, siehe, da erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“
Dieses Evangelium ist ausgewählt worden, um an die Unschuldigen Kinder zu erinnern. Es passt auch zum Leben von Schwester Brunhilde. Geboren wurde Brigitte Zuber am 21. Februar 1935 in Grünlas im Landkreis Ellbogen im Sudentenland, das heute zu Tschechien gehört. Zuerst war ihr Zwillingsbruder ein unschuldiges Kind. Er starb bereits sechs Wochen nach seiner Geburt. Brigitte wiederum gehörte zu den unschuldigen Kindern, denen der Zweite Weltkrieg früh den Vater raubte. Von Beruf Schlosser wurde er mit Kriegsbeginn 1939 eingezogen und fiel drei Jahre später in Russland.
Brigitte wuchs in der erweiterten Großfamilie in einem Geschäftshaushalt auf und besuchte die Volksschule in Grünlas. Zu den Mietern, die im Elternhaus wohnten, bestand ein gutes Verhältnis. So kam der tschechische Gemeindearbeiter, der mit seiner Familie bei den Zubers wohnte, Mitte Dezember 1945 zu ihrer Mutter und riet ihr, so bald wie möglich mit ihrer Tochter das Land zu verlassen. Es läge ein Befehl vor, alle Frauen zu melden, deren Männer gefallen sind und deren Kinder über zehn Jahre alt seien. Die Frauen kämen zur Bergwerkarbeit und die Kinder in Heime. Die Mutter verständigte ihre Schwester, deren Mann ebenfalls gefallen war und zwei jüngere Mädchen hatte.
Gemeinsam flohen Brigitte mit ihrer Mutter, Tante und ihren beiden Cousinen am Hl. Abend über die Grenze. Das dritte Haus hat sie über die Feiertage aufgenommen. Dieses Erlebnis der Herbergssuche – wie bei Maria und Josef mit dem Jesuskind – hat die Zehnjährige sehr geprägt. Zeitlebens hatte sie große Angst vor Hunden, nachdem ihr eine tschechische Bäuerin angedroht hatte, ihre Hunde auf sie zu hetzen. Nach den Weihnachtsfeiertagen hatte die Familie in Oberbayern eine Bleibe gesucht und sich in Töging am Inn niedergelassen. Dort besuchte Brigitte wieder die Volksschule bis Sommer 1949.
Nach der zweiten Hochzeit ihrer Mutter zog die Stieffamilie nach Höfen bei Bamberg. Im Walburgisheim im Bamberg lernte Brigitte Kochen und Hauswirtschaft bei Schwestern unserer Gemeinschaft. Anschließend besuchte sie das Kindergartenseminar im Kloster Oberzell. Mit 21 Jahren trat sie 1956 in unsere Gemeinschaft ein, wurde ins Noviziat aufgenommen und erhielt den Namen Schwester M. Brunhilde. Am 4. Oktober 1959 legte sie die zeitliche Profess ab und wurde im benachbarten Zell am Main als Erzieherin eingesetzt. 1962 legte sie die Profess auf Lebenszeit ab.
Kindergarten in Zell geleitet
Sechs Jahre lang leitete Schwester Brunhilde den Kindergarten in Zell. Danach wurde sie als Erzieherin und Kindergartenleiterin in Dettingen eingesetzt. Dort wirkte sie 21 Jahre lang. In dieser Zeit wurde der Kindergarten ausgebaut und von zwei auf vier Gruppen erweitert. Sie galt als tüchtige und praktisch veranlagte Erzieherin, die sich für das Wohl der Kinder einsetzte und guten Kontakt zu den Eltern pflegte. Mit Erfahrung und Fachkenntnis leitete sie den Kindergarten, wurde von dem Kindergartenpersonal respektiert und sorgte für pädagogische Weiterbildungen. Selbst nahm sie an einem Lehrgang für Frühpädagogik teil.
Im August 1986 wurde die Filiale in Dettingen aufgelöst und der Weggang der Schwestern von der Gemeinde als herber Verlust empfunden. Schwester Brunhilde wurde dann im Kindergarten in Oberschwarzach eingesetzt. Hier, am Fuß des Steigerwalds, wirkte sie sechs Jahre lang. Durch die Zusammenarbeit mit den Eltern war es möglich, Feste und Ausflüge mit den Kindern zu gestalten. Auch im Kirchenchor sang Schwester Brunhilde mit.
Als die Niederlassung in Oberschwarzach ebenfalls geschlossen wurde, zog Schwester Brunhilde im Herbst 1992 nach Oberzell um. 39 Jahre lang waren ihr Kinder zur Erziehung anvertraut gewesen. Von nun an war sie in St. Klara im hauswirtschaftlichen Bereich eingesetzt. Sie sorgte verantwortlich für die saubere Wäsche im Bildungshaus und arbeitete viel mit dem Ehepaar Schmitt zusammen. Krankheitshalber zog sie 2005 in unser Franziskushaus um, wurde im Mai 2006 in den Konvent Hannah versetzt und half im Speisesaal des Antoniushauses mit.
Schwester Brunhilde pflegte engen Kontakt zu ihrer Familie und ihren Cousinen. Eine große Verbundenheit bestand zur Ackermann-Gemeinde. Sie nahm an deren Fahrten nach Tschechien teil und war sehr interessiert an der deutsch-tschechisch-slowakischen Nachbarschaft. Gern und ausführlich erzählte sie Anekdoten aus ihrem Leben oder von Mitschwestern, sie konnte sich an vieles ganz genau erinnern und freute sich, wenn ihr Zuwendung und Aufmerksamkeit geschenkt wurden. Schwester Brunhilde war musikalisch, sang gerne und konnte Schifferklavier spielen.
Sie strickte Schals für die Kinder in der Gemeinschaftsunterkunft
Als sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte, kam Schwester Brunhilde selbst auf die Pflegestation ins Antoniushaus. Einige Jahre half sie an der Pforte mit, gab freundlich Auskunft und war allen zugewandt. Nebenbei verrichtete sie Handarbeiten. Das Geschick dafür hatte sie von ihrer Mutter mitbekommen. In den letzten Lebensjahren strickte sie vor allem Schals für die Kinder in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende. Sicher rührte es sie an, dass auch heute noch Kinder unschuldig leiden müssen und ein ähnliches Schicksal tragen müssen wie sie früher.
Zunehmend machte Schwester Brunhilde das Gehen Schwierigkeiten. Sie war auf Krücken, und am Ende auch auf den Rollstuhl angewiesen. Nach einem Sturz und Hüftoperation waren ihre Kräfte mit 89 Jahren aufgebraucht. Gott rief sie am 12. Dezember in der Adventszeit in seine ewige Herrlichkeit.
Als Dienerin der hl. Kindheit Jesu fand Schwester Brunhilde Trost im Glauben an den Mensch gewordenen Gott. Gott hat in Jesus unser ganzes menschliches Leben geteilt. Deshalb ist ihm keine menschliche Situation fremd. Menschen beizustehen, vor allem Kinder in ihren ersten Lebensjahren zu erziehen und ihnen beizustehen, war Beruf und Berufung von Schwester Brunhilde.
Franziskus von Assisi sagt von Jesus, dass das göttliche Kind für uns am Wege geboren ist. Feiern wir nun an der Krippe die Eucharistie für Schwester Brunhilde. Halten wir darin alles Verwundete und alles Heile in ihrem Leben Gott hin.
Sr. Rut Gerlach