In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 2024 gab Sr. Anna Bernhart im Alter von fast 102 Jahren ihr Leben in Gottes Hände zurück.

Geboren wurde Sr. Anna an Heiligabend, 24. Dezember 1922 in Werlsberg/St. Joachimstal, Landkreis Karlsbad, im Sudetenland. Ihre Eltern, der Grubenaufseher Benedikt Bernhart und die Mutter Anna Bernhart, ließen das neugeborene Kind auf den Namen Anna Rosa taufen. Die kleine Anna war mit großem Abstand die Jüngste von vier Kindern und hatte zwei Brüder und eine Schwester. Neben der Berufstätigkeit des Vaters lebte die Familie von der Landwirtschaft, in der alle mit anpacken mussten. Bereits im Alter von drei Jahren verlor Anna ihren Vater.

Ab 1929 besuchte Anna die achtjährige Volksschule und musste nebenbei auf dem Hof mithelfen. Sie erinnerte sich, dass sie schon als Neunjährige schwere Arbeit zugewiesen bekam. Mit Ausbruch des Krieges wurden Annas Brüder einberufen. Für die junge Anna galt es umso mehr, der Mutter beizustehen. Nach dem Ende des Krieges, der ältere Bruder war gefallen, wurde Anna mit ihrer Mutter 1946 zwangsweise aus dem Sudetenland ausgesiedelt. Die beiden Frauen landeten auf einem Hof in Wiesenhagen, Kreis Lückenwalde bei Berlin. Rückblickend erinnerte sich Sr. Anna, dass die sechs Jahre dort sehr schwer waren. Kraft und Hoffnung schöpfte sie schon damals aus dem Gebet.

Den jüngeren Bruder hatte es nach Ende des Krieges nach Rothenfels im Landkreis Main-Spessart verschlagen. Erst 1952 erhielten Anna und ihre Mutter endlich die Erlaubnis, zu dem jüngeren Bruder zu ziehen. Mit vielen verschiedenen Arbeiten verdiente Anna den Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter. Sie arbeitete in einem Holzwerk in Hafenlohr, fertigte in Heimarbeit Handschuhe und andere Näharbeiten und arbeitete als Stationshilfe im Lohrer Krankenhaus. Zudem pflegte Anna ihre Mutter.

Neustart mit 44 Jahren

Nach dem Tod ihrer Mutter war Anna auf der Suche nach einem Neubeginn. Ermutigt durch Kolleginnen im Lohrer Krankenhaus begann die damals 44-jährige Anna ab 1967 den einjährigen Kurs zur Altenpflegerin im Juliusspital in Würzburg und lernte die Oberzeller Schwestern kennen. Anna hatte schon in jüngeren Jahren den Wunsch gespürt, in einen Orden einzutreten, fühlte sich aber der Mutter verpflichtet. Mit 45 Jahren glaubte sie nicht, dass sie noch in einer Gemeinschaft Aufnahme finden würde.

Jedoch, die damalige Generaloberin stimmte der Anfrage zu und Anna trat am 1. Oktober 1968 in unsere Gemeinschaft ein. Ein Jahr später erfolgte die Einkleidung und Anna erhielt den Ordensnamen Sr. Maria Anna. Am 4. Oktober 1971 feierte sie die Erstprofess und am 8. September 1974 die Ewige Profess. Nach der Erstprofess arbeitete Sr. Anna sieben Jahre als Altenpflegerin im Juliusspital und wurde 1978 in unser eigenes Altenheim Antoniushaus versetzt, um die Mitschwestern zu pflegen. Ab 1999 lebte sie im Konvent Padua und zog 2015 selbst auf die Pflegestation um. Die Kranken- und Altenpflege hat Sr. Anna sehr geliebt und wollte auch mit Beginn des Rentenalters ihren Dienst nicht beenden. Bis zu ihrem 95. Lebensjahr half sie immer noch auf der Pflegestation mit. Sie verteilte Mahlzeiten, gab den Schwerstkranken das Essen ein, hielt Sitzwachen bei den Sterbenden und besuchte die Mitbewohnerinnen auf der Station.

Liebevolle Zuwendung und Fürsorge

Ihre liebevolle Zuwendung und ihre Fürsorge für die Schwerstkranken war beispielhaft. Auch für ihre Mitschwestern und die Mitarbeiterinnen hatte sie immer ein gutes Wort und äußerte große Dankbarkeit, als sie selbst zunehmend auf Unterstützung angewiesen war. An kleinen Dingen konnte sie sich herzlich freuen, zum Beispiel beim Blick aus dem Fenster auf das bunte Herbstlaub, das Zwitschern der Vögel oder kleine Überraschungen. Erst im hohen Alter erlaubte sie sich, auch ein Hobby zu pflegen und las gerne gute Romane. Sr. Anna war bescheiden, rücksichtsvoll, weise und wollte niemandem zur Last fallen.

Aus ihrem 100. Geburtstag vor zwei Jahren wollte sie kein großes Thema machen, auch wenn sie voll Dankbarkeit auf ihr langes Leben zurück blickte. „Die Geburt Christi ist ein weit größerer Anlass zu feiern,“ sagte sie. Sr. Anna lebte aus einem tiefen Glauben und nahm gerne an den Gebetszeiten teil. Wach verfolgte sie bis zum Schluss das Geschehen in der Welt und in unserer Gemeinschaft. Wenn man sie besuchte, sagte sie manchmal: „Jetzt bin ich immer noch da“ und es war deutlich, dass sie eine große Sehnsucht hatte, ihr Leben zu vollenden.

Am Fest des heiligen Ambrosius hat ihr Gott diesen Wunsch erfüllt und sie in seine ewige Anschauung heim gerufen. Möge sie nun teilhaben an seinem himmlischen Reich.

Sr. Rut Gerlach, Generalvikarin