Am Montag, 15. Januar, rief Gott unsere Mitschwester M. Justilla Weiß in seinen ewigen Frieden.
Schwester Justilla wurde am 2. April 1935 in Umelsdorf, im Landkreis Amberg-Sulzbach geboren und am folgenden Tag auf den Namen Hedwig getauft. Sie war das fünfte von insgesamt zehn Kindern, von denen eines früh verstarb.
Nach dem Besuch der Volksschule und landwirtschaftlichen Berufsschule trat sie im Alter von 16 Jahren am 4. Oktober 1951 in unsere Gemeinschaft ein. Hedwig hatte in Oberzell eine Tante, Schwester Ansbalda Weiß (+ 2004) und eine Cousine, Schwester Melitina Weiß (+ 2017). Da Hedwig noch sehr jung war, half sie zunächst als Kandidatin für einige Monate im Zeller Kindergarten und arbeitete anschließend zwei Jahre im Haushalt der Filiale Staffelbach mit.
Sie hatte großes Talent und Freude an Handarbeiten, besonders am Sticken und Nähen. 1953 begann sie eine Lehre als Paramentenstickerin in der Oberzeller Werkstatt, wo sie von Paramentenmeisterin Schwester Adolfa Schwabach ausgebildet wurde. Ihre Gesellenprüfung legte Hedwig im Oktober 1956 erfolgreich ab. Anschließend begann die Ordensausbildung zunächst mit dem Postulat, im Mai 1957 war die Aufnahme ins Noviziat. Hedwig erhielt den Namen Schwester M. Justilla. 1959 legte sie die Profess für drei Jahre und 1962 die Profess auf Lebenszeit ab. In diesem Jahr hätte sie ihr eisernes Professjubiläum feiern können.
Nach der Erstprofess 1959 wurde Schwester Justilla in unserer großen Paramentenstickerei eingesetzt. Dort waren damals bis zu zehn Schwestern beschäftigt. Fast sechs Jahrzehnte fertigte Schwester Justilla mit ihrer kunsthandwerklichen Arbeit liturgische Gewänder.
Von der heiligen Klara von Assisi wird berichtet, dass sie auch noch auf ihrem langen Krankenlager viel stickte. Und man hat herausgefunden, dass ihre Briefe und Gebete oft symmetrisch aufgebaut sind wie ein Christusmonogramm, das sie in die Mitte ihrer handgefertigten Korporalien stickte. So gehörten ihre kontemplative Arbeit und das innere wie äußere Gebet bei Schwester Justilla untrennbar zusammen.
Sticken erfordert Geduld, ein gutes Auge, Liebe zum Detail und ein sicheres Gespür für Form, Material und Farbgebung. Jedes Teil wird zum Unikat und trägt die unverwechselbare Handschrift der Stickerin. Wer Schwester Justilla in der Paramentenstickerei besuchte, dem zeigte sie gerne die Kunstwerke, die unter ihrer Hand entstanden waren. Die offizielle Schließung der Werkstatt 2016 war für Schwester Justilla schmerzhaft. Bis zu ihrer Versetzung ins Antoniushaus suchte sie die Räumlichkeiten weiterhin täglich auf, um kleine Stickereien anzufertigen, die sie mit zunehmender Vergesslichkeit aber nicht vollenden konnte.
Durch die vielen Kunden der Paramentenstickerei hatte sich Schwester Justilla im Lauf der Jahrzehnte einen sehr großen Bekanntenkreis erworben. Priestern, Kaplänen, Sakristaninnen oder Mitarbeitenden in Pfarreien, die mit Bestellungen oder Reparaturaufträgen zu ihr kamen, begegnete sie stets ausgesprochen freundlich und zuvorkommend. Auch mit verschiedenen Künstlern der Region stand sie während ihrer aktiven Zeit im Kontakt.
Umfangreiche Briefkontakte mit schönster Handschrift
Überhaupt pflegte sie einen umfangreichen Briefkontakt zu ihren Verwandten, Freunden und Bekannten nicht nur in Deutschland, sondern bis nach Übersee. Wer Schwester Justilla Post sandte, konnte mit einer, in schönster Handschrift erstellten Antwort, rechnen. Erhielt sie englischsprachige Post, konnte sie bei Mitschwestern sehr hartnäckig auf eine sofortige Übersetzung pochen.
Bei ihren Verwandten verbrachte sie ihren jährlichen Urlaub und pflegte sehr gute Beziehungen zu ihnen, besonders zu ihren beiden Schwestern Anni und Fanny.
Schwester Justilla betete gern und viel. Die Feier der Eucharistie, das Stundengebet, der Rosenkranz, die tägliche Anbetung und die Verehrung des Jesuskindes waren ihr sehr kostbar. In ihren letzten Jahren im Mutterhaus hielt sie die Anbetung immer von 8 bis 9 Uhr. Jeden Sonntag zündete sie bei der Herz-Jesu-Grotte und bei der Mariengrotte im Park Kerzen an. Schwester Justilla war ausgesprochen musikalisch, sang im Oberzeller Chor den ersten Sopran, leitete eine Schola und war über Jahrzehnte Choristin im Stundengebet.
Aus einer Landwirtschaft stammend hat Schwester Justilla die Verbindung zu Mutter Erde nie verloren. Neben Sticken und Singen hatte sie eine große Liebe zu den Gärten und Andachtsgrotten im Oberzeller Gelände. Über 60 Jahre bepflanzte und pflegte sie liebevoll den Steingarten, der uns in jedem Frühjahr und Sommer mit seiner Blütenpracht und Blütenduft erfreut. Sie kümmerte sich um die Blumenbeete neben der Goldschmiede und den Rosengarten im Innenhof.
Besonders lieb waren ihr die Herz-Jesu-Grotte bei den großen Buchen und die Mariengrotte im Park, wo sie neben der Bepflanzung jeweils am Sonntag Kerzen entzündete. Die Rotbuche gegenüber dem Hauptportal wurde von ihr zusammen mit Schwester Viktrizia gepflanzt.
Im Mutterhauskonvent war Schwester Justilla durch ihr ganzes Ordensleben eine Säule der Gemeinschaft. Sie beteiligte sich beim Auftragen, Spülen und der Vorbereitung von Festen. Ihren Humor konnten die Schwestern besonders bei den Faschingsfeiern erleben.
Vor 30 Jahren kümmerte sie sich um einen Geflüchteten aus Sri Lanka, der bei uns im Kloster wohnte und arbeitete. Auch nach seinem Tod hielt sie noch lange Kontakt mit den Angehörigen, die über die ganze Welt verstreut lebten. Als sich ihr gesundheitliches Befinden verschlechterte und sie zunehmend Unterstützung benötigte, wurde sie 2021 ins Antoniushaus verlegt. Das war für sie ein sehr schwerer Abschied. Immer wieder kehrte sie in ihr altes Zimmer und in die Paramentik zurück. Obwohl sie inzwischen gesundheitlich geschwächt war, kam ihr Tod für uns überraschend und schnell. Möge ihr nun die Anschauung Gottes geschenkt werden.
Sr. Katharina Ganz, Generaloberin