Unserem Gott, der es gut meint mit jedem Menschen, hat Schwester Hildegund vertraut. Sie ließ sich von ihm führen. Im Alter von 82 Jahren erreichte sie am Abend des 9. September das Ziel ihres Lebens, die immergrüne Aue, wo sie ausruhen darf in Gott.
Schwester Hildegund wurde am 16. Februar 1940 in Poppenroth im Landkreis Bad Kissingen geboren und am 18. Februar auf den Namen Hildegard getauft. Sie war das dritte Kind ihrer Eltern. Mit ihren beiden Geschwistern wuchs sie in der elterlichen Landwirtschaft auf. Von 1946 bis 1954 besuchte Hildegard die Volksschule in ihrem Heimatdorf und anschließend drei Jahre lang die landwirtschaftliche Berufsschule. Nach der Schulentlassung half sie ein halbes Jahr zu Hause mit und ein weiteres halbes Jahr in einer Wäscherei.
Hildegard spürte in sich den Ruf zur Nachfolge Christi. Nachdem unsere Gemeinschaft in Poppenroth eine Niederlassung hatte und sie mit den Schwestern in Kontakt war, trat sie im August 1958 ins Kloster Oberzell ein. Weil sie gut nähen konnte, absolvierte sie in unserem Fürsorgeheim bei Schwester Helmwarda die dreijährige Ausbildung zur Damenschneiderin. Nach ihrer Gesellenprüfung wurde sie im November 1961 ins Postulat aufgenommen und im Mai 1962 in das zweijährige Noviziat. Bei der Einkleidung erhielt sie ihren Ordensnamen Schwester Maria Hildegund.
Nach der Erstprofess kam sie im Juni 1964 für ein Jahr zur Aushilfe ins Fürsorgeheim Kirchschönbach. Ein Jahr später zog sie nach St. Ludwig um. Im Mädchenheim wurde sie aber nicht in ihrem Beruf als Damenschneiderin eingesetzt, sondern fand ihre Tätigkeit in der Wäscherei.
Ruhige und freundliche Ausbilderin
1963 hatten die Münsterschwarzacher Missionsbenediktiner das Eigentum ihres ehemaligen Studienseminars St. Ludwig unserer Kongregation übertragen. Als Ablösesumme wurde vereinbart, dass die Wäsche von Münsterschwarzach in unserem Mädchenheim gewaschen wurde. Schwester Hildegund war ja vor ihrem Eintritt bereits in einer Wäscherei beschäftigt gewesen. So war sie in St. Ludwig eine große Hilfe. Anfangs konnten die Mädchen hier noch eine Lehre machen zur Wäscherin und Plätterin mit Abschlussprüfung.
Im Lauf der Jahrzehnte fielen tonnenweise Männerhemden an, die von den Schwestern und Mädchen in der Ausbildung gewaschen, ausgebessert und gebügelt wurden. Zusätzlich kam die Wäsche der Schwestern und des Heimes dazu sowie die Kirchenwäsche aus Münsterschwarzach und St. Ludwig.
Schwester Hildegund lebte und arbeitete ihr ganzes Ordensleben im Sendungsauftrag von Mutter Antonia. Die Mädchen leitete sie durch ihre ruhige und freundliche Art an. Bei den Bewohnerinnen, Mitarbeiterinnen und Schwestern war sie gleichermaßen sehr beliebt. Jedes Jahr beim Sommerfest fragten Ehemalige nach ihr. Und sie konnte Ehemalige oft auch noch viele Jahre später beim Namen ansprechen. Vom Wesen her war sie klar, nachsichtig, verständnisvoll und aufmerksam. Sie war sehr wach und sah Kleinigkeiten. Sie handelte und agierte umsichtig ohne viel zu reden.
Emsig und aktiv, gleichzeitig aber eine Frau des Gebets
Schwester Hildegund war eine verlässliche Institution im Antonia-Werr-Zentrum. Jederzeit war sie bereit, Mädchen aus der Mittelschulstufe und Förderklasse der Von-Pelkhoven-Schule für ein oder zwei Wochen als Praktikantinnen in der Wäscherei mitarbeiten zu lassen. Sie sah es als einen besonderen vertrauensvollen Dienst an, die persönliche Wäsche von Schwestern oder Benediktinern zu waschen. Und sie verrichtete ihre Arbeit fleißig, zuverlässig, treu und diskret.
Schwester Hildegund war gern in der Gemeinschaft. Ihre Kraft schöpfte sie aus der Feier der Eucharistie und dem Gebet. Die Muttergottes verehrte sie sehr. Den Rosenkranz betete sie regelmäßig und treu. Schwester Hildegund vereinte die biblischen Schwestern Maria und Marta in sich als Person. Einerseits emsig und aktiv in ihrer Arbeit war sie gleichzeitig eine Frau des Gebetes. Sie nahm die Anliegen des Antonia-Werr-Zentrums, der jeweiligen Zeit und der ihr anvertrauten Menschen mit hinein in ihr stilles Gebet. Und sie hatte ein weites Herz.
Jahrzehntelang stimmte sie die Lieder im Gottesdienst an. Vorausschauend beachtete sie alle Gedenk- und Feiertage. Sie war Kantorin und leitete eine Gruppe beim Anstimmen des Stundengebetes. Im Gemeinschaftsleben war sie eine äußerst liebenswürdige Schwester. Sie galt als demütig und schlicht, in sich ruhend und ausgeglichen. Alle, die sie kannten, beschreiben sie als freundlich und friedlich, hilfsbereit und zuvorkommend. In all ihrer Zurückhaltung war sie ihrem jeweiligen Gegenüber ganz zugewandt. Sie galt nicht als Frau der großen Worte, sondern der Tat. Wenn sie sich einbrachte, traf sie oft mit ihren Einsichten den Nagel auf den Kopf.
Patin in der Mariengruppe
Seit der Jahrtausendwende war sie Patin in der Mariengruppe des Antonia-Werr-Zentrums. Mit Kleinigkeiten beschenkte sie die Mädchen und feierte mit ihnen Gruppenfeste und Weihnachten. Die Anliegen der Mädchen trug sie im Gebet mit. Sie hatte ihre festen Grundsätze gehabt und hielt daran fest. Einerseits war sie anspruchslos im Hinblick auf sich selbst, andererseits war sie anspruchsvoll, wenn es um Dinge ging, die ihr wichtig waren, hier hatte sie einen hohen Anspruch an sich selbst. Bewundernswert war, dass sie sich immer einlassen konnte auf das, was das Leben mit sich brachte.
Ihren jährlichen Urlaub verbrachte sie immer bei ihrer Schwester Rita Kaiser in Poppenroth. Legendär war die Buttercremetorte, die sie ihr zu ihrem Geburtstag immer mitgebracht hat.
Als sich im Frühjahr 2020 das Coronavirus verbreitete wurde in St. Ludwig die Wäscherei geschlossen, um mögliche Ansteckungen zu vermeiden. Erst von da an war Schwester Hildegund nicht mehr in der Wäscherei tätig. Sie wusch von da an die persönliche Wäsche der Schwestern im Konvent, übernahm kleine Handgriffe und machte sich nützlich. Bis zuletzt kümmerte sie sich um die Kirchenwäsche. Das war für sie der wichtigste Dienst und zugleich Gebet.
Im vergangenen Jahr strukturierte sie ihren Tagesablauf bewusst und teilte sorgsam ihre Kräfte ein. Sie war an allem interessiert und bis zuletzt bei klarem Verstand und Bewusstsein. Niemandem wollte sie zur Last fallen. Frohgemut freute sie sich über jeden neuen Tag, den sie erleben durfte und genoss das Leben. Bei Sonnenschein saß sie gerne auf einer Bank im Freien oder machte einen kleinen Spaziergang. Bewusst nahm sie das Leben dankbar an bis in ihre letzten Stunden hinein.
Nun erhob Gott wie es im Psalm 23 heißt, den Hirtenstab und schenkte ihr die Kraft, den letzten Schritt zu gehen. Wir glauben fest, dass Gott wahr gemacht hat, was Schwester Hildegund so gerne sang: „Herr, Deine Gütigkeit wird durch des Lebens Zeit mich immer treu begleiten, dass ich im Hause dein fest möge wohnhaft sein zu ewiglichen Zeiten.“
Sr. Katharina Ganz