Pfingstwunsch – Diese Collage entstand einmal bei einem Fortbildungstag mit den Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Frauen. Das Originalbild ist ein Dreifaltigkeitsfresko aus dem Mittelalter und befindet sich in einer kleinen romanischen Dorfkirche in Urschalling bei Prien am Chiemsee, die dem hl. Jakobus geweiht ist.
Interessanterweise wird neben Gott-Vater (rechts) und dem Sohn (links) der hl. Geist in Frauengestalt gezeigt. Alle drei göttlichen Personen haben einen Heiligenschein, die jedoch ineinander übergehen. Das Kreuz im Nimbus ist auf die drei Personen verteilt und deutet so an, dass sich um den einen Gott in drei Personen handelt. Auch die Gewänder fließen nach unten hin zusammen, die Untergewänder haben jeweils die gleiche dunkelrote Grundfarbe. Ebenso gibt es nur zwei Hände, die die weibliche Geistkraft halten. So wird die Aussage aus dem Credo ausgedrückt, dass der Geist – oder eben die Geistin – aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht.
Das Besondere und Ungewöhnliche an dieser Darstellung ist nicht ihr menschliches Antlitz, sondern dass die mittlere Gestalt klar als Mädchen oder Frau zu erkennen ist. Ihr Gesicht ist eher rund, ihre Wangen gerötet; mit ihrem langen, hellbraunen Haar wirkt sie freundlich und jugendlich. So veranschaulichen die Gesichter der drei Personen nicht nur drei Lebensabschnitte des Menschen: links das Erwachsenenalter, in der Mitte die Jugend und rechts das Greisenalter, sondern auch die Polarität der Geschlechter, das Mann- und Frausein. Auffällig und ungewöhnlich ist der Faltenwurf zu Füßen der mittleren Gestalt, der sich zu einem weiblichen Geschlecht formt. Dies ist nicht nur ein Hinweis auf Leben und Fruchtbarkeit, sondern eine künstlerische Anspielung darauf, dass es im Wesen Gottes männliche und weibliche Eigenschaften gibt. Wie sonst hätte Gott den Menschen als sein Abbild schaffen können, wenn nicht Männliches und Weibliches selbst in Gott wäre?
Im Hebräischen wird Gottes Geist „Ruach“ genannt. Dieses Wort kommt im Ersten Testament meist in der weiblichen Form vor. Deshalb übersetzen viele Bibelwissenschaftler/innen heute „Gottes Geistkraft“. Auch ihre Wirkungen werden mit weiblichen Eigenschaften ausgedrückt: Sie „brütet“ über dem Wasser der Urflut, sie gebiert das Leben, inspiriert, motiviert, bewegt und fördert es. Sie lässt den Menschen atmen, leben und handeln.
Diese Tradition findet sich auch im Neuen Testament, wenn etwa Jesus dem Nikodemus erklärt, dass der Mensch „neu geboren werden muss aus dem Geist“, um in das Reich Gottes zu gelangen (Joh 3, 3f). Etwas davon drückt sich aus, wenn wir Pfingsten als „Geburtsfest“ der Kirche bezeichnen. Es ist auch die Geburtsstunde unserer Gemeinschaft. Mutter Antonia wusste, dass in Gottes Wesen alles Platz hat, wenn sie schrieb: „Gott, du bist wie eine zärtliche Mutter gegen jeden Seele.“
In diesem Sinn wünsche ich allen, die diese Zeilen lesen, ein frohes und gesegnetes Pfingstfest und alle Gaben der göttlichen Geistkraft.
Sr. Katharina Ganz
Generaloberin