„Frauen müssen die Machtfrage stellen“

Die katholische Kirche wird von Männern geführt – nach wie vor. Die Franziskanerin Katharina Ganz aus Oberzell setzt sich dafür ein, dass auch Frauen ins Priesteramt gelangen können. Wie soll das gehen?

Schwester Katharina, zur Vorbereitung des „Synodalen Wegs“, den die Bischofskonferenz ausgerufen hat, musste auf Druck des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ein viertes vorbereitendes Forum anberaumt werden. Thema: Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche. Was sollte diese Aktion?
Wir kennen das Spiel seit Jahrzehnten. Immer heißt es, die Frauenfrage sei ein Querschnittsthema. So sollte es auch diesmal sein. Damit ist die Bischofskonferenz nicht mehr durchgekommen. Das Querschnittsargument ist zwar nicht falsch, aber das eigentliche Problem wird damit ausgeklammert. 

Welches?
Ich sage es mal in meinem franziskanischenWortschatz:Ich sage es mal in meinem franziskanischenWortschatz:Wie kommen wir zu einergeschwisterlichen Kirche, in der Männerund Frauen auf Augenhöhe Verantwortungwahrnehmen, den Anbruch desReiches Gottes verkünden und dieses inder Nachfolge Jesu erfahrbar werden lassen?

Wer oder was hindert Frauen daran, indiesem Sinn zu leben und zu wirken?
Kommunikation in der katholischenKommunikation in der katholischenKirche geschieht asymmetrisch von obennach unten. Und die Deutungshoheitüber das, was Kirche ist, haben ausschließlichgeweihte Männer. Also müssen Frauendie Machtfrage stellen.

Bis heute wird die Verbindung von Macht und dem an das Y-Geschlechtschromosom gebundenen Weiheamt als unauflöslich dargestellt. Warum nehmen Sie einem Papst wie Johannes PaulII. diese Argumentation nicht ab?
Warum soll die geschlechtliche Männlichkeit eine notwendige Bedingung sein, um den Mann Christus zu repräsentieren, wenn umgekehrt die Kirche die Braut des Bräutigams Christi sein soll? Dann dürfte die Kirche doch nur aus Frauen bestehen. Wer meint, aus symbolischer Sprache Machtverhältnisse ableiten zu können, ist nicht gut beraten.

Papst Franziskus hat zu Beginn seines Pontifikats davon gesprochen, dass vieles nicht mehr von Rom, sondern dezentral entschieden werden sollte. Für die Frauenordination gilt das wohl nicht.
Kein Papst hat den Ausschluss von Frauen bisher als Dogma, also als unveränderlichen Teil des Glaubensgutes, definiert. Ein Votum eines Konzils oder einer Bischofssynode darüber gibt es nicht. Und die Behauptung, es bestehe im Bischofskollegium der Welt ein Konsens in dieser Frage, wäre in dem Moment widerlegt, in dem eine Gruppe von Bischöfen, etwa eine Mehrheit der Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz, sagte, dass es gute theologische Gründe dafür gibt, die Frauenordination nicht für ausgeschlossen zu halten.

Befürwortern der Frauenordination wird vorgehalten, sie sähen nicht die „Zeichen der Zeit“, sondern seien dem westlichen Zeitgeist verfallen. Verfängt dieser Vorwurf in Ihren Kreisen?
Das Thema ist längst ein weltweites. Im Juni fand hier in Würzburg das alle sechs Jahre tagende Generalkapitel meiner Gemeinschaft statt. Wir hatten sehr spannende Auseinandersetzungen, es fielen Worte wie „männerbündisch“ oder„männerdominiert“. Am meisten überrascht haben mich die Schwestern aus Südafrika. Die sagten, sie könnten das Positionspapier der Gemeinschaft kaum erwarten, weil sie die patriarchale Bevormundung täglich erlebten und mit der ganzen Gemeinschaft im Rücken stärker in Kirche und Gesellschaft hineinwirken könnten.

Das Aufbegehren von Ordensfrauen gegen eine patriarchal-männerbündisch verfasste Kirche hätte gesellschaftliche Bedeutung?
Wenn die katholische Kirche feststellte, Männer und Frauen hätten nicht nur die gleiche Würde, sondern auch die gleichen Rechte – wäre das bei mehr als einer Milliarde Katholiken auf der Welt nicht ein unüberhörbares Signal für eine gerechtere, partnerschaftliche Welt?

Als der Papst 2016 eine Kommission einsetzte, die sich mit der Geschichte des Frauendiakonats in der Kirche der ersten Jahrhunderte beschäftigen sollte, tat er dies auf Veranlassung von Ordensfrauen. Ist der Druck auch in Rom schon so groß, dass man der Frage nach Diensten und Ämtern von Frauen nicht mehr ausweichen kann?
Ja. Aber anders als von interessierter Seite gerne dargestellt, ging der Vorstoß nicht von deutschen Feministinnen aus, sondern von Ordensoberinnen aus Lateinamerika. Diese Schwestern berichteten von ihren Erfahrungen in der „Macho-Kirche“. Deswegen haben sie dieses Thema aufgebracht.

Im Blick auf den „Synodalen Weg“ hat der aus einer Macho-Kirche stammende Papst Franziskus schon vor Wochen durchblicken lassen, dass er negative Auswirkungen auf „die Weltkirche“ befürchtet. Der Kölner Kardinal Woelki beschwört unterdessen die Gefahr einer Kirchenspaltung herauf. Sie wirken sehr entspannt. Warum?
Der Verweis auf „Weltkirche“ dient in der Regel als Argument, um alle Diskussionen im Keim zu ersticken. Aber er kann auch sehr motivierend sein: Wer sollte etwas dagegen haben können, wenn die katholische Kirche in Deutschland stellvertretend für die Weltkirche mit Hilfe der akademischen Theologie das Für und Wider von Ämtern und Diensten von Frauen in der Kirche erörtert?

Nach ihrer Zusammenkunft im Dezember in Rom haben die Ordensoberinnen einen Aufruf publiziert: Alle Ordensfrauen, die im Raum der Kirche Gewalt erfahren haben, sollten sich ihrer Oberin anvertrauen oder sich an staatliche und kirchliche Autoritäten wenden. Könnte das Aufbegehren gegen „geistliche“ und reale Macht der Männer auch mit der Enttabuisierung von Gewalterfahrungen von Frauen im Raum der Kirche zusammenhängen?
Die Weihe hat Männern eine Macht gegeben, von der wir bestenfalls ahnen, wie viel Missbrauch mit ihr allein im Rahmen der Beichte oder der Seelsorge getrieben wurde – nicht zuletzt in Frauenklöstern. Es sind aber nicht nur Männer, die im Raum der Kirche Gewalt ausgeübt haben oder ausüben. Auch Frauengemeinschaften haben in der Vergangenheit Schuld auf sich geladen, gerade in der Heimerziehung. Was wohl den Unterschied ausmacht, sind das Ausmaß und die Intensität sexualisierter Gewalt.

Papst Franziskus hat Ihnen stellvertretend für alle Ordensoberinnen während einer Audienz im Mai geraten, sie könnten sich eine „andere Kirche“ machen, wenn Sie mit den Zulassungsbedingungen zum Weiheamt nicht einverstanden seien. Was werden Sie jetzt tun?
Die Frage ist, wer auf eine „andere Kirche“ hinarbeitet. In zahlreichen Ländern wirken sich die gegenwärtigen Zulassungsbedingungen so aus, dass es kaum noch junge Priester gibt. Das verändert die Kirche vielleicht viel grundlegender als manches, was Frauen denken und wollen. Es können einfach keine Sakramente mehr gespendet werden. Die Kirche marginalisiert sich selbst.

Der Papst könnte es von heute auf morgen den Priestern erlauben, zu heiraten. Wäre damit nicht schon viel gewonnen?
Wie viel damit gewonnen wäre, müsste man abwarten. Im afrikanischen Kontext etwa gäbe es, wie mir die Bischöfe sagen, dann ein neues Problem: die Vielehe. Ich kenne Bischöfe in Afrika, die würden wohl eher das Priesteramt für Ordensfrauen öffnen wollen, als den Zölibat aufzuheben. Öffentlich hat das aber noch niemand gesagt.

Ist mehr Geschlechtergerechtigkeit die Lösung?
Die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit ist für mich eine Frage nach der Vielfalt in der Kirche und damit auch nach anderen Formen der Ausübung und auch der Kontrolle von Macht. Das heißt aber nicht, dass mit Frauen automatisch alles besser wird. Und auch nicht, dass es immer mehr Ämter geben muss, erst recht nicht etwas Eigenes für Frauen, etwa eine Art Diakonat light. Vielleicht sollte man eher über eine Reduktion von Ämtern und die Entkoppelung von Macht und Amt nachdenken.

Die Fragen stellte Daniel Deckers.

Zum gesamten Interview mit Daniel Deckers, FAZ (Weiterleitung zur Internetseite www.faz.net) 

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