Am Vorabend des Pfingstfestes, dem Geburtstag der Kirche und dem Gründungstag unserer Gemeinschaft, hat unsere Mitschwester M. Maximiliana Schmitt ihren Lebensatem ausgehaucht.
Der Atem steht in der Bibel für das Leben, das Gott schenkt und wieder nimmt. Das hebräische Wort für Atem und Hauch, rûaḥ beschreibt das Geräusch des vorbeipfeifenden Windes und des schnellen, erregten Atems. rûaḥ ist eng verwandt mit ræwaḥ („Weite / Raum“). Es wird gebraucht, wenn jemand weit wird und erleichtert aufatmet. rûaḥ schafft Raum, sie setzt in Bewegung, führt aus der Enge in die Weite und macht so lebendig. Von hier aus ist der Bezug zu Lebensatem / Lebenskraft gegeben. rûaḥ meint also das, was Raum, Windbewegung, Leben, Atem schafft. Für uns Menschen dürfte es keine andere Erfahrung geben, bei der so sehr das, was Raum und neues Leben schafft und heftigem Atem verbunden ist, wie der Geburtsvorgang.
Schwester M. Maximiliana wurde am 15. Juli 1930 als zweites Kind der Eheleute Fridolin und Margarete Schmitt in Mannheim-Neckarau geboren. In der Taufe erhielt sie den Namen Elisabeth. Ihr Vater war von Beruf Schlosser, die Mutter kümmerte sich um die Kinder und den Haushalt.
Von 1937 bis 1945 besuchte Elisabeth die damals achtjährige Volksschule. Der zunehmende Fliegeralarm in den letzten Kriegsjahren und die Evakuierung ihrer Familie hatte zur Folge, dass der Unterricht häufig ausfiel.
Nach der Schulzeit und dem Ende des Krieges arbeitete Elisabeth in der Wäscherei des Fürsorgeheims St. Anna in Mannheim, in dem unsere Schwestern in der Mutter- und Kinderpflege tätig waren. Ab Januar 1946 konnte sie im Büro des Fürsorgeheims eine Lehre beginnen. Mit der Prüfung vor der Handelskammer schloss sie im März 1948 ihre Lehrzeit ab.
Während dieser Zeit engagierte sich Elisabeth auch in der Kirchengemeinde. Sie war Mitglied in der Jugendgruppe und im Kirchenchor.
Im Februar 1949 trat sie in unsere Gemeinschaft ein, die sie in Mannheim kennengelernt hatte.
Im Oktober 1950 wurde Elisabeth ins Noviziat aufgenommen und erhielt den Namen Schwester M. Maximiliana. Nach dem einjährigen Noviziat legte sie im Oktober 1951 ihre Erstprofess ab und 1954 ihr Profess auf Lebenszeit.
Nach der Erstprofess arbeitete Schwester Maximiliana von 1951 bis 1952 in der Buchhaltung des Mutterhauses. Anschließend wurde sie nach Hof, in das Elisabethenheim versetzt, wo sie fast 10 Jahre als Pfarrschwester tätig war.
Schon während ihrer klösterlichen Ausbildung hatte Schwester Maximiliana von 1949 bis 1951 an dem privaten Lehrgang zur Ausbildung von Fürsorge-Heimerzieherinnen im Kloster Oberzell teilgenommen.
Im Jahr 1962 besuchte sie in München das Heimpädagogische Aufbauseminar für Bayern, dass sie mit gutem Erfolg abschloss. Aufgrund dieser Weiterqualifizierung wurde Sr. Maximiliana vom Bayerischen Landesjugendamt 1978 als „Fachkraft in der Heimerziehung“ anerkannt.
Ebenfalls 1962 erfolgte Schwester Maximilianas Versetzung in das Fürsorgeheim Gauting und 1969 in das Fürsorgeheim München-Thalkirchen, wo sie jeweils im Büro tätig war. In Thalkirchen hatte sie von 1971 bis 1980 auch das Amt der Oberin inne.
1980 wurde Schwester Maximilana in das Kneipp-Krankenhaus St. Josefsheim in Bad Brückenau versetzt, wo sie für den Konvent verantwortlich war und bereits nach drei Jahren, 1983 in den Mutterhauskonvent, wo sie ebenfalls als Oberin verantwortlich war.
Nach dem Ende ihrer Amtszeit als Mutterhausoberin 1993, wechselte sie in die Verwaltung des Exerzitienhauses Himmelspforten nach Würzburg, sorgte für die Sakristei und war ab 1994 auch dort für den Schwesternkonvent verantwortlich.
Mit der Auflösung unseres Konvents in Himmelspforten 2002, zog Schwester Maximiliana wieder zurück ins Mutterhaus. Täglich arbeitete sie vormittags in der Verwaltung mit, buchte die Kassenabrechnungen der Konvente, übernahm kleine Aufträge im Verwaltungsbereich, sorgte für Ordnung und war der gute Geist für die Mitarbeitenden.
Schwester Maximiliana hat sich in allen ihren Aufgaben sowohl bei anderen Trägern als auch in unseren eigenen Häusern durch großes Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit ausgezeichnet. Mit der Einführung des Computers wurde die Arbeit einerseits leichter, für Schwester Maximiliana bedeutete dies jedoch auch, sich in die neue Technik einzuarbeiten. Die Buchungen am Computer haben ihr bis ins hohe Alter Freude bereitet. Ihre Tätigkeiten in der Verwaltung hat Schwester Maximiliana sehr gewissenhaft ausgeführt. Wenn eine Monatsabrechnung nicht bis zum 10. des Folgemonats vorlag, konnte man von ihr auch eine freundliche Rüge erhalten. Wenn sie einen Fehler in der Abrechnung fand, sandte sie diskret eine, mit Rotstift korrigierte Kopie an die Absenderin zurück.
Kraft und Freude für ihre Arbeit schöpfte Schwester Maximiliana aus dem Gebet und der Feier der Eucharistie. Die tägliche Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten war ihr kostbar. Viele Jahre kümmerte sie sich um die Verteilung der täglichen Anbetungsstunden. Wenn es manchmal schwierig war, die Stunden abzudecken, machte sie ihrem Unmut mit dem Ausruf „Herrschaftszeiten nochamool“ in ihrer badischen Mundart Luft.
Besonders wichtig war ihr die Verehrung der Menschwerdung und Kindheit Jesu. Sie legte großen Wert darauf, dass der 25. jeden Monat gehalten wurde, ebenso wie der darauf folgende Stille Tag. Sie verehrte Mutter Antonia, die ihr in der Fürsorge immer zur Seite stand.
Schwester Maximiliana liebte die Musik und hat gern im Chor und in der Schola gesungen. Sie war gesellig, hat die Gemeinschaft gesucht und gern Halma gespielt. In jüngeren Jahren war sie begeisterte Auto-Fahrerin und hat mit den Schwestern hin und wieder gerne einen Ausflug unternommen. Als Oberin war sie großzügig und sorgte sich um das Wohl der Schwestern.
Ein besonderes Anliegen war es ihr, dass zu den Festtagen die Räumlichkeiten und Tafeln festlich geschmückt waren. Liebevoll hat sie schon Tage vorher Servietten gefaltet und Besteck sortiert.
Zu den Namens- und Geburtstagen oder den anderen Festtagen der Schwestern schrieb sie gern Briefe oder Karten und drückte so ihre persönlichen Glückwünsche auf sehr einfühlsame und liebenswerte Weise aus.
Im Januar 2018 wurde Schwester Maximiliana nach dem Ausbruch einer Krebserkrankung auf die Pflegestation des Antoniushauses verlegt. Mehrmals erhielt sie Chemotherapien und rang über Monate mit der Angst vor Schmerzen und Leid.
Ihr großer Wunsch war, ihren 90. Geburtstag im Juli noch feiern zu können. Gott hat es anders gefügt und ihr kurz nach der Pfingstvigil den Lebensatem genommen.
Ruach, der Atem Gottes, der heilige Geist umschreibt auch die Erfahrung, wieder atmen zu können, wenn man eine kritische Situation überlebt hat. Schwester Maximiliana hatte große Angst vor dem Sterben. Sie sagte manchmal: „Ich weiß ja nicht, was noch auf mich zukommt und ob ich dann die Kraft habe, es durchzustehen.“ Geburt und Tod sind die dichtesten, existentiellsten Momente im Leben eines Menschen. Letztlich – trotz aller medizinischen Hilfen – wissen wir nicht, wie es abläuft und was danach kommt.
Eine befreundete Mutter hat in einem Impuls zu Pfingsten den Geburtsvorgang mit der Wirkung der Geistkraft Gottes in Verbindung gebracht. Ihre Erfahrung bei den Geburten ihrer sieben Kinder war, dass der Schmerz beim Gebären und die eigene Enge schließlich an den Punkt führen, „an dem man sich fallen lassen muss, in unsichtbare Arme des Vertrauens. Sich hingeben in den Schmerz der Wehen, einfach mitgehen, geführt von den Impulsen des Körpers, dem Schmerz mit öffnendem Atem begegnen, vertrauen, dass Weite kommen wird und damit neues Leben geboren werden kann.“
Vielleicht passt dieses Bild auch zum Sterben. Vielleicht ist das Sterben nichts anderes als eine Neugeburt. Dann dürfen wir vertrauen, dass Schwester Maximiliana in der Hingabe des Lebens bis zum ihrem letzten Atemhauch beschenkt wurde mit neuem Leben. Sterben bedeutet dann, dass es ein letztes Mal darum geht, die eigene Enge zu überwinden, schmerzhaft das Leben loszulassen, das wir nicht festhalten können. Erst an dem Punkt, an dem wir uns in unsichtbare Arme des Vertrauens fallenlassen können, kann neues, ewiges Leben entstehen. Sich dieser Führung Gottes anzuvertrauen, heißt, sich mit den letzten Wehen oder Wellen des Lebens ans andere Ufer spülen lassen, um dort neues Land zu betreten, eine Weite mit ungeahnter Lebendigkeit.
Das nenne ich himmlischen Geburtstag feiern! Ein besseres Datum als das Pfingstfest, die Geburtsstunde der Kirche und den Gründungstag unserer Kongregation, kann ich mir für so ein Fest nicht vorstellen.
Sr. Dr. Katharina Ganz
Generaloberin