Eine Krippe ist kein Hotel, Stroh ist kein flauschiges Kissen. Ein Kind ist bedürftig und hilflos, hat Hunger, muss gewickelt werden. Jesus hat sich in diese menschliche Verletzbarkeit hineinbegeben und diese durchgehalten bis zum Tod am Kreuz. Dieses Geheimnis hat Gründerin Antonia Werr zum Ausgangspunkt für die „Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu“ und für ihre Frauenarbeit gemacht. Die Schwestern sollten für Frauen da sein, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden waren: aus der Haft entlassene Frauen, Prostituierte, Landstreicherinnen. Diesen Frauen wollte Antonia Werr mit dem Blick auf das Kind einen neuen Anfang ermöglichen.
„Wenn Gott so klein in die Welt gekommen ist und mit uns Menschen neu angefangen hat, dann könnt auch Ihr neu anfangen, in aller Armut, in aller Einfachheit, in aller Demut wieder neu beginnen“,
lautete ihre Botschaft an die Frauen.
Das Weihnachtsfest, die Geburt Jesu, hat deshalb im Kloster Oberzell einen ganz besonderen Stellenwert. So sehr, dass Weihnachten zwölf Mal im Jahr gefeiert wird: An jedem 25. des Monats wird in der Kirche eine Krippe mit dem Jesuskind aufgestellt. Die Schwestern singen dabei auch Weihnachtslieder und beten das Stundengebet von Heiligabend. Antonia Werr hat für das ganze Jahr ein Kindheit-Jesu-Gebetbuch ausgearbeitet. Immer sollten sich die Schwestern vor Augen halten, dass Gott hilflos als Kind unter uns gelebt hat.
Wenn es dann tatsächlich auf Weihnachten zugeht, wird im Seitenschiff der Klosterkirche St. Michael eine Krippe aufgebaut. Das Besondere: Sie wird bis zum 2. Februar mehrmals die Szene wechseln. Darum kümmern sich die Schwestern Petra Körner und Vianney Schneider. Los geht es mit Maria und dem Engel Gabriel, es ist die Szene der Verkündigung. Danach folgen die vergebliche Herbergssuche (ab dem dritten Advent), die eigentliche Krippendarstellung (Heiligabend), der Besuch der Heiligen Drei Könige (6. Januar) und schließlich die Begegnung im Tempel, als Simeon und Hanna im Kind den Messias erkennen. Die fünf Szenen wurden vor vielen Jahren von Schwester Ellensindis Mannel geschaffen. Sie formte jede einzelne Figur liebevoll aus Wachs und nähte die Kleider aus Stoffresten.
Es heißt, dass das heutige Weihnachtskrippenspiel auf Franz von Assisi zurückgeht, der 1223 in der Nähe von Greccio eine Krippe mit lebenden Figuren gestaltete, um den Gläubigen anschaulich das Weihnachtsevangelium näherzubringen. Die Oberzeller Franziskanerinnen betrachten alle Menschen als Kinder Gottes: einzigartig und gewollt, mit einer unveräußerlichen Würde.