Predigt zum Fest Epiphanie, 6. Januar 2023
von Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz
Vor kurzem bin ich bei einem Stadtbummel in Würzburg zufällig am sogenannten Zukunftshaus vorbei gekommen. Das ist ein neuer Laden in Würzburg, in dem man nachhaltig hergestellte Produkte kaufen oder Elektrogeräte ausleihen kann. An der Tür lädt ein Schild in Regenbogenfarben alle Menschen ein, hereinzukommen. Willkommen sind Leute aller Größen, Farben, Kulturen, Geschlechter, Überzeugungen, Religionen, jeden Alters und Typs.
Spontan dachte ich: War das bei der Geburt Jesu damals nicht auch so? War der Stall von Bethlehem nicht das Zukunftshaus schlechthin? Haben sich nicht an der Krippe schon die unterschiedlichsten Leute versammelt? Allen voran Maria, die viel zu jung ein uneheliches Kind gebar; Josef, der zu ihr stand, sie nicht verstieß und als Pflegevater Verantwortung übernahm? Die armen Hirten von den benachbarten Feldern. Und heute kommen die Sterndeuter aus dem Osten zum Stall. Sie sind die Menschen aus der Ferne und Fremde, weit angereist, keine Juden, sondern anders gläubige Menschen.
In der christlichen Kunst werden sie dargestellt als Menschen drei verschiedener Generationen: Ein heranwachsender Jüngling, der suchend nach den Sternen Ausschau hält; ein Erwachsener und ein Mann im Greisenalter, der demütig seine Krone abnimmt und niederkniet. Oder sie erscheinen als Vertreter der drei Erdteile, die in der Antike bekannt waren: Europa, Asien und Afrika.
Die Kindheitsgeschichten Jesu wie Matthäus und Lukas in den ersten beiden Kapiteln ihrer Evangelien schildern, sind keine Tatsachenberichte. Aber wir können gerade von der heutigen Erzählung (Mt 2,1-12) viel für unser eigenes Leben als Christ*innen lernen. Denn: Die Sterndeuter haben eine tiefe Sehnsucht und folgen ihr. Sie möchten den neu geborenen König entdecken. Deshalb sind sie mutig und brechen auf statt zuhause sitzen zu bleiben. Sie riskieren dabei, sich unterwegs zu verlaufen oder notfalls umkehren zu müssen. Aber sie gehen los.
Dabei orientieren sie sich am Stern. Sie sind wach für die Zeichen am Himmel und suchen ihren Weg auf der Erde. Trotz der Unwägbarkeiten unterwegs verlieren sie das große Ganze nicht aus dem Blick. Sie haben eine klare Vision und Mission. Und: sie gehen nicht alleine, sondern gemeinsam. Sie werden sich öfter beraten haben, wie es weitergeht, welcher Spur sie folgen sollen, welcher Pfad sie ihrem Ziel wohl näher bringt. Und: Sie suchen den Machthaber Herodes auf und fragen nach Auskunft. Sie holen Erkundigungen ein. Sie tun also gar nicht erst so, als ob sie alleine zurecht kämen und schon alles wüssten. Damit bricht ihnen kein Zacken aus der Krone.
Gleichzeitig wägen sie sorgfältig ab, was sie erfahren und folgen nicht einfach blind den Ratschlägen anderer. Sie unterscheiden die Geister. Außerdem achten sie auf ihre Gefühle. An der Freude, die sie erfüllt, erkennen sie, dass sie am Ziel ihrer Suche angekommen sind. Und auch da lassen sie sich noch einmal überraschen: Denn sie finden das Kind nicht in Jerusalem, dem damaligen Zentrum der politischen und religiösen Macht, sondern in einer einfachen Arme-Leute-Gegend. Den Messias entdecken sie nicht als privilegierten Herrscher im Palast, sondern als ganz normales Baby, in Windeln gewickelt.
Spätestens jetzt könnten sie frustriert oder resigniert aufgeben und ihre Mission für gescheitert erklären. Statt dessen öffnen sie sich erneut für das Wunder der Weihnacht: Sie entdecken das Außergewöhnliche im Alltäglichen und Unscheinbaren, das Große im Kleinen, den Gott und Retter der Welt im verwundbaren und ohnmächtigen Geschöpf. Die Weisen teilen, was sie haben. Sie bringen ihre Schätze dar: Das Gold ihrer königlichen Würde, den Weihrauch und die Myrrhe: alles, was sie reich, heil und heilig macht. Mit allem, was sie sind und haben, treten sie vor den Mensch gewordenen Gott.
Und sie lassen sich beschenken. Die Begegnung mit dem Mensch gewordenen Gott ist an sich ein Geschenk. Eine Gnade. Sie geschieht. Umsonst. Gratis. Das Geben und Nehmen. Das Dasein nach der gemeinsamen Suche und dem Fragen, das Ankommen und Verweilen, das Staunen, Innehalten und Schweigen. Und diese Begegnung verwandelt sie. Sie können nicht einfach denselben Weg zurückgehen.
Vielmehr bleiben sie lernfähig und bereit sich zu verändern. Sie halten sich neue Wege offen. Somit beweisen sie, dass sie flexibel und handlungsfähig sind. Sie folgen nicht blind dem, was Herodes von ihnen verlangt. Sondern bleiben wachsam für ihren inneren Kompass, für ihre Träume und das Unbewusste. Das befähigt sie, die Gefahren, die von Herodes ausgehen, zu durchschauen und kurzfristig umzudisponieren. Sie trauen ihren neuen Einsichten und ändern ihre Pläne. So treten sie intuitiv einen anderen Heimweg an als sie ursprünglich geplant hatten.
Könnten die Sterndeuter nicht ein Vorbild sein für uns?
Könnten sie uns nicht den Weg der Weihnacht zeigen?
Wie Kirche wahrhaft katholisch sein kann?
Ein Zukunftshaus?
Einladend und offen, neugierig willkommen heißend, froh machend und integrativ, die Lebenswirklichkeit der Menschen bejahend?
Könnten wir uns nicht alle so ein Schild an unsere Kirchentüren hängen?
An die Klosterpforte oder gar daheim an unsere Haustüren?
Oder noch besser: Einfach leben, wozu das Schild uns einlädt und weihnachtliche Menschen werden?